8 408. Konfusion durch Erbgang. 8 409. Nachlaßschulden. 797
einerseits: der Erbe haftet den Nachlaßgläubigern nur mit dem Nachlaß, andrer-
seits: der Erbe haftet ihnen unbeschränkt mit seinem ganzen Vermögen. In
der Mitte zwischen diesen Gegensätzen steht folgende Haftungsart: der Erbe
haftet den Nachlaßgläubigern unbeschränkt mit seinem ganzen Vermögen, jedoch
unter dem Vorbehalt, daß er die Haftung nach Willkür auf den Nachlaß zu
beschränken befugt ist.G¾ Demnach haben wir die beschränkte, die endgültig
unbeschränkte und die vorläufig unbeschränkte Haftung des Erben
zu unterscheiden. Von letzterer hat unfre Darstellung den Ausgang zu nehmen;
denn sie ist die regelmäßige Haftungsart: wer behauptet, daß der Erbe be-
schränkt oder endgültig unbeschränkt hafte, muß dies besonders begründen.
Charakteristisch für die gesetzgeberische Befähigung der Verfasser des BG.8 ist die
Form, in der sie die vorläufig unbeschränkte Haftung des Erben behandeln; sie nennen
einige Ausnahmefälle, in denen der Erbe „beschränkt“ (1975, 1990), und einige andre Aus-
nahmefälle, in denen er „unbeschränkt“ (1994, 2005, 2006) haften soll; dagegen gehn sie
gerade über die Regelfälle schweigend fort! Offenbar soll der Erbe in diesen Regelfällen nicht
Abeschränkt", aber auch nicht „unbeschränkt“ haftbar sein. Wie ist nun aber eine Haftung
zu denken, die diesen beiden negativen Voraussetzungen entspricht? Die Lösung des Rätsels
ist meines Erachtens, daß das Gesetz das Wort „unbeschränkt" im Sinn von „endgültig
unbeschränkt“ angewendet hat und somit für die im Gesetz schweigend übergangenen Fälle
gleichsam als Rest eines Subtraktionsexempels die vorläufig unbeschränkte Haftung übrig
bleibt. Doch ist die Frage streitig. Insbesondre wird auch die Ansicht verfochten, daß es
die von uns behauptete vorläufig unbeschränkte Haftung gar nicht gebe, der Erbe vielmehr in
einigen Ausnahmefällen (endgültig) unbeschränkt, in allen andern Fällen beschränkt hafte.?
Es liegt nahe, die vorläufig unbeschränkte Haftung nur als eine Art der beschränkten
Haftung aufzufassen: eine unbeschränkte Haftung, die der Erbe nach Willkür abschütteln
kann, scheint doch weiter nichts als eine Formalität zu sein. Doch ist diese Annahme un-
zutreffend. Es ist nämlich, wir wir alsbald sehn werden, dem Erben bei allen nicht ganz
dürftigen Nachlässen die Abschüttlung der unbeschränkten Haftung durchaus nicht leicht ge-
macht, weil sie eine gerichtliche Nachlaßsequestration voraussetzt und diese — zu Lasten des
Nachlasses! — sehr große Kosten mit sich bringt.
II. Die vorläufig unbeschränkte Haftung des Erben greift sofort mit dem
Erbfall Platz.“ Nur bei ganz geringfügigen Nachlässen gilt, wie wir später
sehn werden, eine Ausnahme: dem Erben wird hier die vorläufig unbeschränkte
Hastung schon vom Erbfall an erlassen (s. unten S. 809).
III. Die vorläufig unbeschränkte Haftung tritt aber in der ersten Zeit
nach dem Erbfall sehr milde auf. Dem Erben wird nämlich eine zwiefache
Frist zugestanden, während deren er gegen gewisse Arten des Zugriffs der
Nachlaßgläubiger geschützt sein soll.
1. Die erste Frist läuft vom Erbfall bis zur Erbschaftsannahme.
a) Innerhalb dieser Frist erfreut der Erbe sich eines doppelten Schutzes:
die Nachlaßgläubiger können, wie schon früher erwähnt, ihre Ansprüche nicht
gegen den Erben selber, sondern nur gegen einen besondern Nachlaßvertreter
(Nachlaßpfleger, Testamentsvollstrecker usw.) gerichtlich geltend machen? und
2) Kipp S. 183; Landsberg 1151. 3) Binder 2 S. 62. Vgl. Strohal 2 S. 1918.
4) Abw. Strohal 2 S. 1901; Frommhold Anm. 2 zu § 1967.
5) R. 60 S. 179.