Full text: Lehrbuch des Deutschen bürgerlichen Rechts. Zweiter Band. Das Sachenrecht. - Das Recht der Wertpapiere. - Das Gemeinschaftsrecht. - Das Recht der juristischen Personen. - Das Familienrecht. - Das Erbrecht. (2)

808 Buch VIII. Abschnitt 4. Die Rechtsstellung des Alleinerben. 
b) Hiernach ist, sobald die Sequestration des Nachlasses angeordnet wird, 
den Privatgläubigern die Zwangsvollstreckung in den Nachlaß und der außer- 
gerichtliche Zugriff darauf versagt; Zwangsvollstreckungsmaßregeln, die ein 
Privatgläubiger schon vorher in den Nachlaß erwirkt hat, sind nunmehr auf- 
zuheben; eine Aufrechnung seiner Forderung gegen eine Nachlaßforderung, die 
er ohne Zustimmung des Erbens schon vorher erklärt hat, gilt nunmehr als 
nicht erfolgt (1984 II, 1977 II; 3P. 784 II; Konk Ordn. 221). 
2. Die Regeln zu 1 laufen auf eine „paritätische“ Behandlung der Nach- 
laß- und der Privatgläubiger hinaus. Doch erreichen sie die Parität nur un- 
vollkommen. Denn sie gelten ja bloß, wenn es wirklich zur Nachlaßsequestra- 
tion gekommen ist. Diese Sequestration wird aber, wie wir wissen, nur auf 
Antrag des Erben oder der Nachlaßgläubiger eingeleitet, während den Privat- 
gläubigern das Antragsrecht versagt ist. Die Nachlaßgläubiger können also, 
indem sie die Einleitung der Nachlaßsequestration fordern, der Konkurrenz mit 
den Privatgläubigern aus dem Wege gehn, sobald sie ihnen nicht paßt. Da- 
gegen müssen die Privatgläubiger die Konkurrenz der Nachlaßgläubiger zu- 
lassen; sie können allerdings zu ihrem Schutz gegebenenfalls verlangen, daß 
über das Gesamtvermögen des Erben — Privatvermögen und Nachlaß — 
Konkurs eröffnet werde; dieser Gesamtkonkurs läßt aber, anders als der auf 
den Nachlaß beschränkte Sonderkonkurs, die Konkurrenz der Nachlaßgläubiger 
unberührt. 
Beispiel. Es ist Konkurs über das Gesamtvermögen des Erben (Privatvermögen und 
Nachlaß) eröffnet; der Vermögensstand ist entweder: I. Nachlaß 40 000, Nachlaßschulden 600000, 
Privatvermögen 10000, Privatschulden 40 000, oder gerade umgekehrt: II. Nachlaß 10000, 
Nachlaßschulden 40000, Privatvermögen 40000, Privatschulden 60 000. Hier beantragen die 
Nachlaßgläubiger zu 1 selbstverständlich den Sonderkonkurs über den Nachlaß und erzielen 
dadurch statt der im Gesamtkonkurse entfallenden Dividende von ½ eine Dividende von ½; 
dagegen sehn sie zu II von einem Sonderkonkurse, der als Dividende nur ¼ bringen würde, 
ab und begnügen sich mit der Dividende des Gesamtkonkurses, ohne daß die Privatgläubiger 
etwas dagegen machen können. 
Andrer Meinung ist Jäger?: sobald Konkurs über das Gesamtvermögen des Erben 
eröffnet werde, seien auch die Privatgläubiger befugt, die Sequestration des Nachlasses zu 
betreiben; denn nunmehr habe ja der Konkursverwalter das Recht, die Sequestration zu 
beantragen und sei den Privatgläubigern gegenüber verpflichtet, von diesem seinem Recht 
Gebrauch zu machen. Dem möchte ich nicht beitreten. Denn in jenem Konkurse hat, solange 
der Nachlaß nicht sequestriert ist, der Konkursverwalter die Interessen der Nachlaß= und der 
Privatgläubiger ganz gleichmäßig wahrzunehmen, ist also keineswegs verpflichtet, im Interesse 
der letzteren und zum Schaden der ersteren auf die Sequestration des Nachlasses zu dringen. 
Fortsetzung. Einrede der Dürftigkeit des Nachlasses. 
§ 411. 
I. Der Grundsatz, daß die beschränkte Haftung des Erben für die Nach- 
laßschulden nur dann eintritt, wenn der Nachlaß zwecks Sicherung der Nach- 
8) Planck-Strohal Anm. 2 zu § 1977. Abw. Siber, Komp. u. Aufrechn. (99) S. 106; 
Binder 2 S. 161. 9) Jäger, Erbenhaftung S. 45. 
 
	        
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