Full text: Lehrbuch des Deutschen bürgerlichen Rechts. Zweiter Band. Das Sachenrecht. - Das Recht der Wertpapiere. - Das Gemeinschaftsrecht. - Das Recht der juristischen Personen. - Das Familienrecht. - Das Erbrecht. (2)

812 Buch VIII. Abschnitt 4. Die Rechtsstellung des Alleinerben. 
B. ihm die Einrede der Dürftigkeit des Nachlasses entgegenstellt, seine Forderung gegen A. 
und die Forderung des B. nicht aufrechnen kann. 
*) Endgültig unbeschränkte Haftung des Erben. 1 
§ 412. 
I. 1. Der Erbe büßt den Vorteil der vorläufig unbeschränkten oder der 
beschränkten Haftung für die Nachlaßschulden ein und haftet sämtlichen Nach- 
laßgläubigern „endgültig unbeschränkt", wenn er innerhalb der sog. In- 
ventarfrist die Errichtung eines Nachlaßinventars gänzlich unterläßt oder in 
dem Inventar den Stand des Nachlasses zum Schaden der Gläubiger absicht- 
lich falsch angibt. Nicht als ob er zur Errichtung eines Nachlaßinventars 
positiv verpflichtet wäre; nur droht ihm eben, wenn er die Inventarisierung 
unterläßt oder wahrheitswidrig vornimmt, die Gefahr, daß er für die Nachlaß- 
schulden endgültig unbeschränkt verhaftet wird. 
a) Die Inventarfrist läuft nicht kraft Gesetzes, sondern beginnt erst, wenn 
sie auf Antrag eines Nachlaßgläubigers durch Beschluß des Nachlaßgerichts aus- 
drücklich bestimmt und dieser Beschluß dem Erben zugestellt ist; ihre Dauer 
ist vom Gericht auf mindestens einen und höchstens drei Monate festzusetzen 
(1995 I, 1994 I Satz 1; R. FG. 77D. Übrigens steht es dem Erben frei, 
die gerichtliche Bestimmung einer Inventarfrist nicht abzuwarten, sondern das 
Inventar nach Belieben schon vorher zu errichten. 
Auf Antrag des Erben kann die bereits bestimmte Frist vom Gericht nach dessen 
freiem Ermessen nachträglich verlängert werden (1995 III; R. FW. 77 II, III). Ist der 
Erbe durch höhere Gewalt an der rechtzeitigen Errichtung des Inventars verhindert worden 
oder ist ihm die Zustellung des die Frist bestimmenden Gerichtsbeschlusses ohne sein Ver- 
schulden unbekannt geblieben, so ist ihm vom Gericht eine neue Inventarfrist zu bestimmen, 
vorausgesetzt, daß er es binnen zwei Wochen nach Beseitigung des Hindernisses und spätestens 
ein Jahr nach Ablauf der ersten Frist beantragt (s. 1996). 
Ist die Erbin eine Ehefrau und gehört die Erbschaft zum Eingebrachten oder zum 
Gesamtgut, so muß das Nachlaßgericht die Inventarfrist nicht bloß gegenüber der Frau, 
sondern auch gegenüber dem Mann bestimmen; die Frist ist gewahrt, wenn das Inventar 
rechtzeitig auch nur von einem der Gatten errichtet wird (2008, 1406 Nr. 1, 1463 ID. 
b) Als Form des Inventars ist die Errichtung einer schriftlichen Urkunde 
unter Mitwirkung eines Notars oder eines andern Inventarisationsbeamten 
vorgeschrieben: das Nachlaßinventar ist also niemals bloßes Privatinventar, 
nicht einmal bei ganz geringfügigen Nachlässen. 
Und zwar kann der Erbe, wenn er will, das Inventar persönlich anfertigen und den 
Beamten nur als sachverständigen Zeugen zuziehn; er kann aber auch von solcher eignen 
Tätigkeit absehn und beim Nachlaßgericht beantragen, daß die Inventarisation vom Ge- 
richt selbst oder in dessen Auftrage von einem Inventarisationsbeamten besorgt werde. 
Ersternfalls ist die Inventarfrist nur gewahrt, wenn der Erbe vor dem Fristablauf das 
fertige Inventar beim Nachlaßgericht einreicht; letzternfalls genügt es, wenn der Inven- 
1) Krug, Jahrb. sür Dogm. 49 S. 120.
	        
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