66 Buch III. Abschnitt 2. Besitz und Inhabung.
Übrigens ist diese Definition auch praktisch unzweckmäßig. Denn sie stimmt mit der ge-
setzlichen Terminologie nicht überein, derzufolge, wie bereits erwähnt, der Besitz von einem
Rechtsnachfolger des ersten Besitzers auch ohne Erlangung der tatsächlichen Herrschast er-
worben werden kann (s. oben S. 64 a). Auch würde sie es notwendig machen, für die „wirk-
liche“ tatsächliche Herrschaft, wie sie bei der erstmaligen Begründung neuen Besitzes voraus-
gesetzt wird, einen besondern Namen einzuführen.
2. Als Gegenstände des unmittelbaren Besitzes kommen alle Sachen,
Grundstücke wie Fahrnis, in Betracht; auch bloße Sachbestandteile, wesentliche
wie unwesentliche, sind nicht ausgeschlossen, sondern können Gegenstand eines
selbständigen Besitzes sein (s. 865). Dagegen sind unkörperliche Güter, insbe-
besondre Rechte, nicht besitzfähig: es gibt nur einen Sachbesitz, keinen Rechtsbesitz.
Beispiele. I. Wenn A. von B. ein ganzes Hausgrundstück k, den Keller des Nachbar-
grundstücks y und einen Wagen samt Pferden ermietet hat, so erwirbt er mit der Ubergabe
den Besitz an x, dem Keller von y, dem Wagen und den Pferden, obschon der Keller doch
nur ein Bestandteil des Grundstücks y7 und zwar sogar ein wesentlicher Bestandteil ist.
II. Wenn C. es tatsächlich durchsetzt, täglich über das Nachbargrundstück des D. zu gehn
und unbeanstandet jahrelang die üblichen Adelsprädikate zu führen, so kann man nach dem
Sprachgebrauch des BGB.# trotzdem nicht sagen, daß er sich im Besitz des Wegerechts an
dem Grundstück des D. oder im Besitz des Adels befinde.
Ubrigens wird, wenn schon nicht dem Namen, so doch der Sache nach ein Besitz an
Rechten in gewissem Umfange auch vom BGB. anerkannt. Siehe darüber unten in der
Lehre von den Grunddienstbarkeiten.
Ob und inwieweit ein Besitz an öffentlichen Straßen und andern öffentlichen Sachen
ausgeschlossen ist, hängt vom Landesrecht ab (s. EG. 109).“
3. Der Kürze wegen sei es gestattet, den unmittelbaren Besitz im folgenden
so lange, als von seinem Gegenstück, dem mittelbaren Besitz, noch nicht die
Rede ist, schlechthin „Besitz“ zu nennen.
II. 1. a) Der Besitzer kann seinen Besitz an einer Sache so, wie es ein
Eigentümer, oder so, wie es ein Nichteigentümer zu tun pflegt, ausüben. Im
ersten Fall nennt man seinen Besitz Eigenbesitz (872); im letztern Fall
nennt man ihn Fremdbesitz.
b) Der Fremdbesitzer kann wieder seinen Besitz so ausüben, wie es ein
Nießbraucher oder wie es ein Pächter, ein Mieter, ein Pfandgläubiger, ein Ver-
wahrer usw. zu tun pflegt. Demgemäß unterscheidet man als Unterarten des
Fremdbesitzes den Nießbrauch-, den Pacht-, den Miet-, den Pfand-,
den Verwahrungsbesitz usw. (s. 868).
2. Welcher dieser Arten ein bestimmter Besitz zuzuteilen ist, hängt aus-
schließlich davon ab, wie der Besitzer ihn tatsächlich gestaltet. Ob er ein Recht
dazu hat, ist gleichgültig.
Beispiel. A. hat eine Sache, die B. verloren hatte, gesunden und mit nach Hause ge-
nommen. Hier ist er Eigenbesitzer, wenn er sie versteckt; Fremd-, und zwar Verwahrungs-
besitzer ist er, wenn er den Fund der Polizei anzeigt.
2a) Endemann II, 1 S. 131 8.
3) Lenz, Arch. f. BR. 33 S. 343.
4) Strohal, Jahrb. f. Dogm. 38 S. 31; Biermann, Vorbem. 2 vor 8 854.
5) Auerbach, Merkmale des Eigenbesitzes (05); Manigk, Arch. f. BR. 25 S. 316.