8 430. Tod des Bedachten; Auslegung d. Vermächtnisses; Anwachsung; Unmöglichkeit. 869
VIII. 1. Als Gegenstand des Vermächtnisses kann alles bestimmt werden,
was Gegenstand einer vermögensrechtlichen Forderung sein kann, namentlich
die Lieferung einer individuell oder einer nur der Gattung nach bestimmten
Sache, die Übertragung einer alten oder die Begründung einer neuen Forde-
rung, der Erlaß einer Schuld usw. Auch die Abtretung der Erbschaft im
ganzen oder eines Anteils an ihr kann Gegenstand des Vermächtnisses sein
(„Universalfideikommiß“).
Beispiel. A. testiert: „mein alleiniger Erbe ist mein Sohn B.; doch soll er an seine
beiden Schwestern je ½ der Erbschaft abgeben.“
2. Das Vermächtnis ist ungültig, wenn es auf eine unmögliche Leistung
gerichtet ist. Ob die Leistung unmöglich, ist aber nicht nach den Verhältnissen
zur Zeit der Errichtung des Vermächtnisses, sondern nach den Verhältnissen
zur Zeit des Erbfalls zu bestimmen; ist das Vermächtnis aufschiebend bedingt
oder befristet, so schadet eine Unmöglichkeit nichts, die zwar zur Zeit des Erb-
falls besteht, aber vor der Erfüllung der Bedingung oder vor dem Herankommen
des Termins behoben wird (2171, 308).
Beispiel. A. bestimmt, daß B., sobald er Offizier wird, sich aus dem Nachlaß ein
Reitpferd als Vermächtnis aussuchen soll; zufällig hat aber A. weder zu der Zeit, da
er dies Vermächtnis anordnete, noch zur Zeit seines Todes ein Pferd besessen; wohl aber
gewinnt sein Erbe C. auf ein zum Nachlaß gehöriges Los zwei Pferde. Hier kann B.
eines dieser Pferde für sich beanspruchen, wenn er Offizier wird, nachdem B. jenen Ge-
winn gemacht hat; dagegen ist das Vermächtnis wirkungslos, wenn B. schon vorher Offizier
geworden ist.
Der Regel zu 2 entspricht es, daß eine unmögliche Leistung rechtsgültig für den
Fall vermacht werden kann, daß sie binnen 30 Jahren nach dem Tode des Erblassers
möglich wird.
Analoge Regeln gelten, wenn das Vermächtnis gegen ein gesetzliches Verbot ver-
stößt (2171).
IX. Das Recht eines Vermächtnisnehmers fällt aus den gleichen Gründen
fort wie das Recht eines eingesetzten Erben. Hervorgehoben sei, daß Ver-
mächtnisse unter Ehegatten durch die Scheidung ihrer Ehe unwirksam werden
(s. 2077, oben § 400 III.
2. Ber Erwerb des Vermächtnisses.!
§ 431.
I. 1. a) Der „Anfall“ des Vermächtnisses an den Vermächtnisnehmer
geschieht, gerade wie der Anfall der Erbschaft an die Erben, kraft Gesetzes,
sobald der Erblasser gestorben ist (2176). Es ist also nicht erforderlich, daß
der Vermächtnisnehmer das Vermächtnis ausdrücklich oder stillschweigend an-
nimmt. Im Gegenteil: der Anfall geht auch dann vonstatten, wenn der Ver-
mächtnisnehmer von dem Vermächtnis nichts weiß oder wenn er es gar nicht
haben will.
1) Brückner, Vermächtniserwerb (01).