Full text: Lehrbuch des Deutschen bürgerlichen Rechts. Zweiter Band. Das Sachenrecht. - Das Recht der Wertpapiere. - Das Gemeinschaftsrecht. - Das Recht der juristischen Personen. - Das Familienrecht. - Das Erbrecht. (2)

8 186. Ursprünglicher Besitzerwerb. 69 
und vielleicht sogar gegen ein Verbot ihres Gewalthabers Besitz erwerben kann, 
im Einzelfall sehr wohl bejaht werden.“ 
2. Demnach ist eine Stellvertretung im Besitzerwerbe" zwar zuzulassen, 
aber nicht als rechtsgeschäftliche Stellvertretung anzusehn. Daraus folgt, daß 
ein Besitzerwerb im Einzelfall auch durch einen Vertreter ohne Vertretungs- 
macht möglich ist. 
Beispiele. I. Ein Geisteskranker, der einen Apfel sindet und an sich nimmt, hat damit 
den Besitz des Apfels erlangt. II. Ich habe vor Monaten eine Zigarrentasche verloren; 
mein Sohn findet sie und nimmt sie an sich, um sie mir zu bringen. Hier habe ich sofort 
den Besitz der Tasche erworben, obschon ich dem Kinde keinen Auftrag gegeben hatte, nach 
der Tasche zu suchen, weil ich den Verlust noch gar nicht bemerkt hatte. 
V. Der besitzbegründende Vorgang greift nicht notwendig in fremden 
Besitz ein. Im Gegenteil findet er vorzugsweise auf Sachen Anwendung, die 
noch niemals in eines Menschen Besitz waren oder die aus ihrem bisherigen 
Besitz entkommen sind. Trifft er aber einmal eine Sache, die sich zur Zeit 
in eines andern Besitz befindet, so wird er diesem Besitz verderblich. Denn, 
was der Besitzerwerber gewinnt, verliert der bisherige Besitzer: Zug um Zug 
mit der Begründung des neuen geht eine Zerstörung des alten Besitzes vor 
sich. Und zwar ist für diese negative besitzfeindliche Seite des Besitzerwerbes 
die Frage, ob der Erwerb ein rechtmäßiger ist oder nicht, ebenso bedeutungslos 
wie für seine positive besitzbegründende Seite. 
Beispiel. Wenn A. dem B. eine Sache stiehlt, geht in demselben Augenblick, in dem 
A. den Besitz gewinnt, der des B. verloren. 
Indeß ist schon oben zu 1 in dem dort genannten Beispiel III betont, daß ein 
ursprünglicher Besitzerwerb tatsächlich schwerer vonstatten geht, wenn die Sache sich zur 
Zeit im Besitz eines andern befindet, als wenn sie besitzfrei ist. Denn in ersterem Fall 
sind die Hindernisse, die sich dem Besitzerwerbe entgegenstellen, größer. 
VI. Der Besitz des Erwerbers reicht nur so weit, als die von ihm erlangte tatsächliche 
Herrschaft. Demnach erstreckt sich der Erwerb des Besitzes an der Hauptsache nicht ohne 
weiteres auch auf das Zubehör. 
VII. Besondre Regeln gelten für den Fall, daß der mittelbare Besitzer einer Sache 
nachträglich den unmittelbaren Besitz an ihr erwirbt. Siehe unten S. 98 Abs. 3. 
§9) Erwerb bestehenden unmittelbaren Besitzes. 
§L 187. 
Der Erwerb des an einer Sache bereits bestehenden Be- 
sitzes oder, anders ausgedrückt, die Nachfolge in solchen Besitz kann in 
mannigfacher Art geschehn. Hier sei nur der Erwerb durch Übergabe und 
Erbgang erörtert. 
60 Abw. Endemann II, 1 S. 182. 
T Siehe Regelsberger, Jahrb. f. Dogm. 44 S. 393. 
1) Aravantinos, Jahrb. f. Dogm. 48 S. 101; Heymann, dingliche Wirkung der Tra- 
duionspapiere (05).
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.