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und vielleicht sogar gegen ein Verbot ihres Gewalthabers Besitz erwerben kann,
im Einzelfall sehr wohl bejaht werden.“
2. Demnach ist eine Stellvertretung im Besitzerwerbe" zwar zuzulassen,
aber nicht als rechtsgeschäftliche Stellvertretung anzusehn. Daraus folgt, daß
ein Besitzerwerb im Einzelfall auch durch einen Vertreter ohne Vertretungs-
macht möglich ist.
Beispiele. I. Ein Geisteskranker, der einen Apfel sindet und an sich nimmt, hat damit
den Besitz des Apfels erlangt. II. Ich habe vor Monaten eine Zigarrentasche verloren;
mein Sohn findet sie und nimmt sie an sich, um sie mir zu bringen. Hier habe ich sofort
den Besitz der Tasche erworben, obschon ich dem Kinde keinen Auftrag gegeben hatte, nach
der Tasche zu suchen, weil ich den Verlust noch gar nicht bemerkt hatte.
V. Der besitzbegründende Vorgang greift nicht notwendig in fremden
Besitz ein. Im Gegenteil findet er vorzugsweise auf Sachen Anwendung, die
noch niemals in eines Menschen Besitz waren oder die aus ihrem bisherigen
Besitz entkommen sind. Trifft er aber einmal eine Sache, die sich zur Zeit
in eines andern Besitz befindet, so wird er diesem Besitz verderblich. Denn,
was der Besitzerwerber gewinnt, verliert der bisherige Besitzer: Zug um Zug
mit der Begründung des neuen geht eine Zerstörung des alten Besitzes vor
sich. Und zwar ist für diese negative besitzfeindliche Seite des Besitzerwerbes
die Frage, ob der Erwerb ein rechtmäßiger ist oder nicht, ebenso bedeutungslos
wie für seine positive besitzbegründende Seite.
Beispiel. Wenn A. dem B. eine Sache stiehlt, geht in demselben Augenblick, in dem
A. den Besitz gewinnt, der des B. verloren.
Indeß ist schon oben zu 1 in dem dort genannten Beispiel III betont, daß ein
ursprünglicher Besitzerwerb tatsächlich schwerer vonstatten geht, wenn die Sache sich zur
Zeit im Besitz eines andern befindet, als wenn sie besitzfrei ist. Denn in ersterem Fall
sind die Hindernisse, die sich dem Besitzerwerbe entgegenstellen, größer.
VI. Der Besitz des Erwerbers reicht nur so weit, als die von ihm erlangte tatsächliche
Herrschaft. Demnach erstreckt sich der Erwerb des Besitzes an der Hauptsache nicht ohne
weiteres auch auf das Zubehör.
VII. Besondre Regeln gelten für den Fall, daß der mittelbare Besitzer einer Sache
nachträglich den unmittelbaren Besitz an ihr erwirbt. Siehe unten S. 98 Abs. 3.
§9) Erwerb bestehenden unmittelbaren Besitzes.
§L 187.
Der Erwerb des an einer Sache bereits bestehenden Be-
sitzes oder, anders ausgedrückt, die Nachfolge in solchen Besitz kann in
mannigfacher Art geschehn. Hier sei nur der Erwerb durch Übergabe und
Erbgang erörtert.
60 Abw. Endemann II, 1 S. 182.
T Siehe Regelsberger, Jahrb. f. Dogm. 44 S. 393.
1) Aravantinos, Jahrb. f. Dogm. 48 S. 101; Heymann, dingliche Wirkung der Tra-
duionspapiere (05).