8 441. Pflichtteilsrecht der Eltern und des Gatten. 8 442. Erbteil und Pflichttell. 899
Pflichtteils; bald gibt es ihm die Macht, die Verfügungen, die der Erblasser
von Todes wegen getroffen hat, anzufechten und dadurch sich selbst und viel-
leicht auch andern Personen ein gesetzliches Erbrecht zu verschaffen; bald wird
es endlich dadurch verwirklicht, daß der Erbteil, den der Erblasser dem Be-
rechtigten hinterlassen hat, von gewissen Beschränkungen oder Belastungen, die
der Erblasser angeordnet hat, befreit wird. Hieraus folgt, daß das „Pflicht-
teilsrecht“ und das „Recht auf den Pflichtteil“, so sonderbar dies klingt, nicht
identisch sind; letzteres Recht ist vielmehr nur eine von den verschiedenen Ge-
staltungen des Pflichtteilsrechts; man kann also sehr wohl pflichtteilsberechtigt
sein und trotzdem kein Recht auf den Pflichtteil haben.
Beispiel. A. hat als einzigen Angehörigen seinen Sohn B. hinterlassen; in seinem
Testament hat er den B. und seinen Freund C. zu gleichen Teilen als Erben berufen und
den C. zum Testamentsvollstrecker für den ganzen Nachlaß berufen. Hier ist B. „pflichtteils-
berechtigt“, kann aber trotzdem keinen „Pflichtieil“ fordern (s. oben § 441 I, 3 b).
II. Für die Bestimmung des Pflichtteilsrechts ist der halbe gesetzliche
Erbteil des Pflichtteilsberechtigten von größter Bedeutung; nur dann, wenn
das Pflichtteilsrecht lediglich im Wege der Anfechtung der vom Erblasser ge-
troffenen Verfügungen ausgeübt wird, spielt dieser halbe gesetzliche Erbteil
keine Rolle.
1. Bei der Bestimmung des Pflichtteilsrechts wird nur der halbe gesetz-
liche „Erbteil“ des Pflichtteilsberechtigten berücksichtigt. Der dem Ehegatten
des Erblassers neben den Verwandten zweiter und dritter Ordnung zustehende
gesetzliche „Voraus“ bleibt also, so erheblich er im Einzelfall sein mag, außer
Betracht, da er nicht als gesetzlicher Erbteil, sondern als gesetzliches Vermächtnis
anzusehn ist.
2. Bei der Bestimmung des Pflichtteilsrechts wird nur der halbe „ge-
setzliche“ Erbteil des Pflichtteilsberechtigten berücksichtigt. Doch wird er etwas
anders berechnet als bei der wirklichen gesetzlichen Erbfolge.
a) Wenn ein Angehöriger des Erblassers vorhanden ist, der im Fall reiner
gesetzlicher Erbfolge zusammen mit dem Pflichtteilsberechtigten als Miterbe be-
rufen wäre, jedoch durch Enterbung, Ausschlagung der Erbschaft oder Anfech-
tung wegen Erbunwürdigkeit sein gesetzliches Erbrecht eingebüßt hat, wird der
Erbteil des Pflichtteilsberechtigten so berechnet, als ob das Erbrecht dieses
Miterben unverändert fortbestände (2310 Satz 1). Der Fortfall des Mit-
erben kommt also nicht dem Pflichtteilsberechtigten, sondern andern Per-
sonen zugut.
Beispiel. A. entdeckt einen Ehebruch seiner zweiten Frau B. und macht in seinem
Zorn ein Testament, in dem er die B. sowie das von der B. in der Ehe mit ihm geborene
Kind C., weil dessen Ehelichkeit ihm zweifelhaft erscheint, enterbt, beiden das Pflichtteilsrecht
entzieht und als alleinige Erben seine drei Kinder erster Ehe D., E., F. beruft; von einer
Ehescheidungsklage gegen die B. nimmt er Abstand, weil er sich vor dem Mitschuldigen der
B. fürchtet; D. nimmt nach A.s Tode die Partei der Stiefmutter und schlägt die Erbschaft
aus. Hier ist C. zweifel los pflichtteilsberechtigt, weil gar kein Grund dafür vorlag, daß A.
ihm das Pflichtteilsrecht entzog; als gesetzlicher Erbteil ist aber für ihn nicht ½, sondern 35/16