§ 442. Ausschlagungsfrist. Beschränk. d. Pflichtteilsrechts in wohlw. Absicht. 901
verständlich binnen der Ausschlagungsfrist tun. Doch wird die Frist in diesem
Fall dadurch verlängert, daß sie frühestens beginnt, wenn er von der Be-
schwerung oder Beschränkung Kenntnis erhält (2306 I Satz 2).5
b) Anders steht es, wenn der Angehörige zur Wahrung seines Pflichtteils-
anspruchs nicht einen Erbteil, sondern ein ihm zugedachtes Vermächtnis aus-
schlagen will. Hier gibt es keine Ausschlagungs-, sondern umgekehrt eine An-
nahmefrist: sie läuft nicht kraft Gesetzes, sondern wird dem Pflichtteilsberech-
tigten von dem mit dem Vermächtnis beschwerten Erben nach dessen billigem
Ermessen bestimmt; gibt der Pflichtteilsberechtigte binnen der Frist keine Er-
klärung ab, so gilt das Vermächtnis als ausgeschlagen (2307 1).
2. Ausnahmsweise muß ein Nachkomme des Erblassers, der von diesem
als Erbe berufen ist, es sich in seinem eignen Interesse gefallen lassen, daß der
Erblasser den ihm zugedachten Erbteil beschränkt (Beschränkung des Pflichtteils-
rechts in wohlwollender Absicht).
a) Die Beschränkung ist nur statthaft, wenn der Nachkomme sich in solchem
Maß der Verschwendung ergeben hat oder in solchem Maß überschuldet ist,
daß sein späterer Erwerb erheblich gefährdet wird (2338 1).
Beispiele. I. A., das einzige Kind des Witwers B., ist dank der strengen Zucht, unter
der er bisher gestanden hat, zur Zeit ein frischer tüchtiger Mensch; B. ist sich aber darüber
im klaren, daß A. sittlich verloren sein würde, wenn er in seinem jetzigen Alter von zweiund-
zwanzig Jahren in den freien Besitz eines großen Vermögens gelangte; nun erkrankt B. töt-
lich, und sein Vermögen beträgt 20 Millionen Mk. Was kann er tun, um den Sohn vor dem
Verlumpen zu retten? 1. Die Beschränkung auf den Pflichtteil genügt nicht; denn der Pflicht-
teil A.s würde ja immer noch 10 oder, wenn B. dem Sohn zu Liebe noch vom Sterbebett
eine zweite Ehe eingeht, 7½ Millionen betragen. 2. Eine vollständige Entziehung des Pflicht-
teilsrechts ist unzulässig; denn die sichere Erwartung, daß A. mit sieben bis zehn Millionen
ein unsittliches, ehrloses Leben führen wird, rechtfertigt nach der Weisheit des Gesetzgebers
eine solche Maßregel nicht (s. oben 8§ 440 III ee). 3 Ebensowenig zulässig ist die eben erwähnte
Beschränkung des Pflichtteilsrechts in wohlwollender Absicht; denn niemand kann behaupten,
daß A. schon jetzt der Verschwendung ergeben oder überschuldet ist. 4. Auch daß B. sein
übergroßes Vermögen durch Schenkungen auf ein für A.## Jugend schickliches Maß herab-
mindert, geht nicht an, weil, wie später zu zeigen, A. die Schenkungen widerrufen könnte.
5. Dagegen bleibt dem B. der Ausweg, daß er sein Vermögen in Tausendmarkscheine um-
setzt und die Scheine verbrennt. Hoffentlich findet er den Mut dazu. II. Ganz anders ist
die Rechtslage, wenn die Mutter A.s noch am Leben ist. Denn dann braucht B. nur all-
gemeine Gütergemeinschaft mit ihr zu vereinbaren, um den A. vor den Gefahren des früh-
zeitigen freien Millionenbesitzes wenigstens für die Lebenszeit der Mutter zu schützen (s.
oben §§ 352 II, 1—4 354 II, 18, 355).
b) Die Beschränkung darf nur in der Art geschehn, daß entweder die
gesetzlichen Erben des Nachkommen nach dessen Tode nach Verhältnis ihrer
gesetzlichen Erbteile als Nacherben oder Nachvermächtnisnehmer berufen werden
oder daß die Verwaltung dessen, was dem Nachkommen aus dem Nachlaß des
Erblassers zufällt, auf seine Lebenszeit einem Testamentsvollstrecker übertragen
und jenem nur der jährliche Reinertrag überlassen wird (2338 D.
c) Die Beschränkung ist in der gleichen Weise anzuordnen wie die Ent-
8) NG. 59 S. 341.