§447. Pflichtteilsrecht, Erbverträge und gemeinschaftliche Testamente. 909
Schenkung an Frau B. nicht 8000, sondern 48000 Mk. Hier kann die B. nur den ordentlichen
Pflichtteil mit 50000 Mk. verlangen; denn die Rechnung ½ (72000 + 48000) — 48000
würde eine negative Differenz ergeben. III. Gleicher Fall wie zu II.; nur hat A. die
Anrechnung der Schenkung auf den Pflichtteil der Frau vorgeschrieben. Hier kann Frau B.
gleichfalls nur den ordentlichen Pflichtteil und zwar nur in Höhe von ½ (400000 + 72000
+ 48000) — 48 000 = 17000 Mk. beanspruchen.
Die Anrechnungspflicht zu II gilt auch für Schenkungen, die der Pflichtteilsberechtigte
vor mehr als zehn Jahren empfangen hat.“
II. Ubertragung der Regeln des Pflichtteilsrechts auf Zuwendungen
aus Erbverträgen und gemeinschaftlichen Testamenten.
§ 447.
I. 1. a) Macht sich ein Pflichtteilsberechtigter einer Verfehlung schuldig,
wegen deren der Erblasser ihm das Pflichtteilsrecht entziehen kann, so ist der
Erblasser auch befugt, ihm alle Zuwendungen zu entziehn, die er ihm etwa
durch Erbvertrag zugedacht hat: die Bindung des Erblassers an den Erbver-
trag wird also in diesem Fall ebenso aufgehoben wie seine Bindung durch
das Pflichtteilsrecht (2294). Das nämliche gilt, wenn der Erblasser in dem
Erbvertrage einen Nichtpflichtteilsberechtigten bedacht hat und dieser sich so be-
nimmt, daß ihm, wenn er ein Nachkomme des Erblassers wäre, das Pflicht-
teilsrecht entzogen werden könnte (2294).
Beispiel. A. hat mit seinem Vater B., seinem Sohn C. und seiner Stiefmutter D.
elnen Erbvertrag abgeschlossen, in dem er die drei zu Erben eingesetzt hat; später gerät er
mit seinen Zukunftserben derart in Streit, daß einer der drei ihn sogar körperlich miß-
handelt. Hier kann, wenn die Mißhandlung von dem Sohn C. oder von der Stiefmutter D.
ausging, A. deren Erbeseinsetzung widerrufen; dagegen bleiben, wenn der Täter der Vater
B. war, alle drei Erbeseinsetzungen in Kraft.
Die Entziehung der im Erbvertrage bestimmten Zuwendung geschieht so lange, als
die Gegenpartei, mit der der Erbvertrag abgeschlossen ist, noch lebt, durch eine gerichtlich
oder notariell beurkundete Erklärung an sie (2296 II); nach dem Tode der Gegenpartei
erfolgt sie in derselben Form wie die Entziehung des Pflichtteilsrechts, also durch Testament
(2297 Satz 2; s. oben § 440 III).
b) Hat sich ein pflichtteilsberechtigter Nachkomme des Erblassers in solchem
Maß der Verschwendung ergeben oder ist er in solchem Maß überschuldet, daß
der Erblasser befugt ist, sein Pflichtteilsrecht zwar nicht gänzlich auszuheben,
aber doch in bestimmter Art zu beschränken, so kann der Erblasser eben diese
Beschränkungen auch in Ansehung aller Zuwendungen anordnen, die er ihm
etwa durch Erbvertrag zugedacht hat (2289 II). Die Bindung des Erblassers
durch den Erbvertrag wird also in diesem Fall ebenso abgeschwächt wie seine
Bindung durch das Pflichtteilsrecht.
4) Siehe R. 69 S. 389.