8 50. Zuständigkeit der Gemeindeorgane. 89
der Gemeindevertretung. Daneben ist ihm aber auch für gewisse Angelegenheiten eine
selbständigere Stellung eingeräumt.
a) So kann er z. B., wie bereits erwähnt, das Büreaupersonal und den Raths-
diener selbständig anstellen und entlassen und gegen alle Gemeindebeamten kleine Dis-
ziplinarstrafen festsetzen.
b) Wichtiger noch ist, daß er — auf Anweisung des Kreisraths oder aus eigenem
Antriebe — bbenso befugt wie verpflichtet ist, Beschlüsse der Gemeindevertretung, welche
deren Zuständigkeit überschreiten oder sonst gegen die Gesetze verstoßen, zu beanstanden.
Macht er von diesem Rechte Gebrauch, so bleibt der Beschluß zunächst unausgeführt;
wiederholt die Gemeindevertretung ihren Beschluß, so ist die Entscheidung des Kreisaus-
schusses einzuholen. Der Bürgermeister hat also wenigstens ein Suspensiv-Veto gegen
die Beschlüsse der Gemeindevertretung 7).
c) In zwei Fällen erklärt es das Gesetz sogar für erforderlich, daß der Bürgermeister
seine positive Zustimmung zu dem Beschlusse der Gemeindevertretung gebe, nämlich bei Auf-
stellung einer Geschäftsordnung der Gemeindevertretung und bei Entlassung festangestellter
Beamten. Doch kann seine Zustimmung durch einen Beschluß des Kreisausschusses ersetzt
werden 2). Der Unterschied dieses Zustimmungsrechts von dem Veto zu b) ist hauptsächlich,
daß der Bürgermeister die Zustimmung nach freiem Ermessen auch aus Zweckmäßigkeits-
gründen verweigern, dagegen das Veto nur wegen Gesetzesverletzung einlegen kann 5).
d) Die Vertretung der Gemeinde nach außen, z. B. bei Prozessen, kommt dem
Bürgermeister allein zu; nur Schuldscheine, sowie Urkunden über den Erwerb oder die
Veräußerung von Grundstücken müssen außer vom Bürgermeister noch von drei Mit-
gliedern der Gemeindevertretung unterschrieben sein .
3. Die Beigeordneten sind lediglich die Gehülfen und Stellvertreter des Bürger-
meisters und an seine Anweisungen gebunden. Nur ein selbständiges Recht haben sie,
was sie auch im Widerspruch zum Bürgermeister ausüben können: das Stimmrecht in
der Gemeindevertretung 5).
4. Die Thätigkeit der Verwaltungsdeputationen hängt von dem besonderen ihnen
gegebenen Auftrage ab. Gewisse Deputationen nehmen der Gemeindevertretung einen
Kreis von Geschäften ganz ab — z. B. die Armendeputation, wo eine solche eingesetzt
ist, das Armenwesen —; die Gemeindevertretung ist alsdann in diesem Geschäftskreis
ganz unthätig, und die Deputation tritt völlig an ihre Stelle. Aber nicht als Rechts-
nachfolgerin, sondern nur als Delegatarin; deßhalb bleiben auch solche Deputationen
von den Anweisungen der Gemeindevertretung abhängig, und die Gemeindevertretung
kann den ihnen ertheilten Auftrag zurücknehmen oder einschränken; war freilich die Depu-
tation durch ein ministeriell genehmigtes Statut eingesetzt, so ist die Aenderung des
Statuts auch nur mit Genehmigung des Ministeriums statthaft.
5. Die Gemeindebeamten sind regelmäßig an die Anweisungen des Bürgermeisters
als ihres Vorgesetzten gebunden; nur der Gemeindeeinnehmer hat dem Bürgermeister
gegenüber die Pflicht, selbständig die Zahlungsanweisungen des Bürgermeisters auf ihre
Uebereinstimmung mit dem Gemeindeetat zu prüfen ).
II. Die den Gemeinden übertragene Staatsverwaltung.
1. Sie umfaßt die Ortspolizei, ausgenommen in den Orten, in denen ein staatliches
Polizeiamt besteht, ferner die standesamtlichen Geschäfte, die Geschäfte der Ortsgerichte u. s. f.
1) StO. 49 Nr. 2, 122; LO. 48 Nr. 2. 2) StO. 16 z* 3; 51, Abs. 2. K O. 48 III, Nr. 3,
3) Z. 1, S. 59. Abw. Prov. Aussch. Starkenb., Z. 3 138.
4) StS. 49. Nr. 8, LO. 48, Nr. 8.
5) StO. 29, 38, L0. 28, 38. 6) StO. 84, LO. 72.