92 Fünfter Abschnitt: Gemeinden und Gemeindeverfassung. 1. Die Ortsgemeinden. § 51.
anderer Art festzustellen, und zwar geschieht dies durch die nämlichen Behörden und im
nämlichen Verfahren, wie die Feststellung der Staatssteuerkapitalien. Es sind folgende
Fälle:
1) Für Personen, die weniger als 500 Mark Einkommen haben und die deßhalb
von der Staatseinkommensteuer frei sind, ist ein besonderes in drei Klassen abgestuftes
Einkommensteuerkapital zu berechnen; bei ungünstigen Verhältnissen können die Steuer-
pflichtigen um eine Klasse zurückgesetzt, die Angehörigen der ersten Klasse ganz frei ge-
lassen werden; unter allen Umständen sind Dienstboten und Arbeiter, die in Lohn und Kost
ihres Arbeitsherrn stehen und deren Einkommen weniger als 500 Mark beträgt, freizulassen.
2) Für Aktiengesellschaften, deren Betrieb sich durch mehrere Gemeinden hinzieht,
ist das Einkommensteuerkapital nicht, wie bei der Staatssteuer, ungetheilt an dem Orte
heranzuziehen, wo die Gesellschaft ihren Hauptsitz hat, sondern es ist nach Verhältniß
des Grund= und Gewerbesteuerkapitals, mit dem die Gesellschaft in jeder der betheiligten
Gemeinden eingeschätzt ist, auf diese Gemeinden zu vertheilen. Das Gleiche gilt für
Privateisenbahnen.
3) Bei Militärpersonen im Offiziersrang bleibt beim Einkommensteuerkapital das
Diensteinkommen außer Ansatz; ebenso wenn sie vor dem 1. April 1887 geheirathet
haben, dasjenige Privateinkommen, dessen Besitz sie zwecks Erlangung der Heirathserlaub-
niß nachweisen müssen 1). — Für Civilbeamte besteht, anders als in Preußen, eine er-
mäßigte Einschätzung zu den Gemeindesteuern nicht.
Von dem soeben festgestellten Grundsatze, daß die Gemeindeumlagen auf alle
Einwohner, Grundbesitzer und Gewerbetreibende der Gemeinde gleichmäßig nach Verhält-
niß der Gemeindesteuerkapitalien zu vertheilen sind, gibt es folgende Ausnahmen:
a) Wer sich unrechtmäßig der Uebernahme eines Gemeindeamts entzieht, kann mit
einem Zuschlage von /8— ¼ seiner Gemeindesteuer zur Strafe belegt werden ?).
8) Bei Militärpersonen im Offiziersrang darf die Gemeindesteuer vom allgemeinen
Einkommen und von der Kapitalrente keinesfalls mehr betragen, als die entsprechende
Staatssteuer 3.
) Der Aufwand, welcher zur Sicherung des Grundeigenthums oder zur Abwen-
dung besonderer Nachtheile oder zur Erreichung besonderer Vortheile für einzelne Ein-
wohner oder Einwohnerklassen dient, kann ausschließlich durch Umlagen von den Bethei-
ligten erhoben werden .
Die hiernach von den einzelnen Steuerpflichtigen aufzubringenden Gemeindesteuern
werden in Hebregistern zusammengestellt, durch den Kreisrath bezw. Bürgermeister für
vollziehbar erklärt und öffentlich bekannt gemacht. Beschwerden über die Umlagen werden
im reinen Verwaltungsstreitverfahren ausgetragen (Kr. Ordn. 48, II, 5). Die Bei-
treibung der Steuern geschieht in gleicher Art, wie die der Staatssteuern, jedoch durch
besondere Gemeindebeamte (Art. 95—97).
b) Zuschläge zu der staatlichen Hundesteuer, in gleicher Höhe wie letztere, und mit
ihr zusammen beizutreiben.
J%) Ein städtischer Zoll (Octroi) auf Schlachtvieh und Fleisch, Getreide, Mehl und
Backwaare, auf Getränke und auf Brennstoffe wird in Darmstadt, Mainz, Gießen,
Worms, Offenbach, Friedberg, Alsfeld, Lauterbach, Bingen erhoben. Der Octroi gilt
nur für Sachen, die in der Gemeinde zur Verzehrung kommen, nicht für Sachen, die
von dort wieder ausgeführt werden 5).
1) Ges. v. 4. Mai 1887. 2) St O. 112, LO. 87.
3) Ges. v. 4. Mai 1887. 4) Ges. v. 22. Novemb. 1872.
5) Entsch, d. O. L.G. Darmstadt, Z. 5, S. 65.