96 Fünfter Abschnitt: Gemeinden und Gemeindeverfassung. 1. Die Ortsgemeinden. § 52.
eine vertragsmäßige Verpflichtung der Stadt, auch ihrerseits die Schule weiterzuerhalten,
folgern; daß aber die Stadt eine derartige Vertragspflicht nicht einseitig verletzen darf,
liegt auf der Hand.
Daß der Kreisausschuß der Gemeinde nur solche Ausgaben auferlegen darf, welche
das Gesetz positiv für Gemeindelasten erklärt, ist in dem grundlegenden Artikel der
Kreisordnung (Art. 48 II, 3) nicht ausdrücklich gesagt. Trotzdem halte ich die Be-
schränkung für zweifellos. Denn andernfalls wäre der vom Gesetz angeordnete Instanzen-
zug einfach unverständlich. Man beachte nämlich, daß als dritte Instanz der Verwal-
tungsgerichtshof eingesetzt ist, und zwar mit Beschränkung auf reine Rechtsfragen, unter
gänzlichem Ausschluß aller That= und Zweckmäßigkeitsfragen; wenn nun wirklich der
Kreisausschuß ohne jeden positiven gesetzlichen Anhalt den Gemeinden alle möglichen
Ausgaben aufladen könnte, so würde doch die Rechtsfrage in den Hintergrund treten,
die That= und Zweckmäßigkeitsfragen würden fast allein das Interesse in Anspruch
nehmen, und gerade für sie würde eine dritte, den ganzen Staat einheitlich regierende
Instanz schlechterdings fehlen; in den allerwichtigsten grundsätzlich bedeutsamen Fragen
könnten also die drei Provinzialausschüsse verschiedener Meinung sein, und es wäre keine
Remedur dawider möglich. Das kann das Gesetz nicht beabsichtigt haben.
9. Alljährlich hat der Gemeinde-Einnehmer über die Geschäftsführung des Vor-
jahrs eine Rechnung aufzustellen. Der Bürgermeister prüft sie, fügt seinen Verwal-
tungsbericht bei und legt beide Schriftstücke öffentlich aus. Die Gemeindevertretung
geht sie in Abwesenheit des Bürgermeisters unter einem selbstgewählten Vorsitzenden
durch und stellt ihre Einwendungen in einem Gutachten zusammen1). Daran schließt
sich die endgültige Prüfung der kommunalen Finanzverwaltung durch die Oberrechnungs-
kammer?).
10. Den Gemeinden sind vielfach Stiftungens) überwiesen. Dann hängt es
in erster Reihe von den Stiftungsbestimmungen ab, ob der Bürgermeister allein oder
die Stadtverordneten oder ein gemischtes Kuratorium die Verwaltung führt; gibt aber
die Gemeinde einen ständigen Zuschuß zu der Stiftung, so ordnet das Gesetz an, daß
die Verwaltung von einer bleibenden Verwaltungsdeputation geführt werden muß. —
Das Stiftungsvermögen ist von dem eigenen Gemeindevermögen getrennt zu verwalten.
Doch ist die Staatsaufsicht — einschließlich der Rechnungsprüfung durch die Oberrechnungs-
kammer — die gleiche wie bei der Verwaltung des Gemeindevermögens; sie erstreckt sich
insbesondere auch auf die Erhaltung der Substanz des Stiftungsvermögens und auf die
stiftungsmäßige Verwendung der Einkünfte; zu Grundstücksveräußerungen, Anleihen,
Verzichten u. s. f., sowie zum Erlaß und zur Abänderung von Verwaltungsanordnungen
ist staatliche Genehmigung nöthig.
Die Einkünfte der Stiftung sind stiftungsgemäß zu verwenden; es haben also die
zur Ortsgemeinde gehörigen Einwohner als solche nur dann ein Recht darauf, wenn die
Stiftung gerade für sie bestimmt ist. Dabei schreibt das Gesetz vor, daß wenn die
Einkünfte einer Wohlthätigkeitsstiftung stiftungsgemäß den „Bürgern“ der Stadt zu
gut kommen sollen, hierunter nicht die „Ortsbürger“ oder die Bürger der politischen
Gemeinde, aber auch nicht alle Einwohner zu verstehen seien, sondern nur diejenigen
Einwohner, die ihren Unterstützungswohnsitz in der Gemeinde haben.
Zur Errichtung von Stiftungen ist landesherrliche Genehmigung nöthig#.
§ 52. h. Staatsaufsicht. 1. Die Staatsaufsicht wird vom Kreisrath geführt.
Doch gilt dies nur für friedliche Zeiten, wenn Niemand sich über die Gemeindeorgane
3 StO. 86—88, LO. 74—76. 2) Ges. 14. Juni 1879.
3) St O. 47, LO. 46. 4) V. v. 22. Okt. 1817 und 31. Januar 1820.