122 Sechster Abschnitt: Landesverwaltung. 4. Verw. in Bezug auf das wirthschaftl. Leben. 8 67.
unkündbar, während der Schuldner selbst das Recht dreimonatiger Aufkündigung besitzt.
Die dem Schuldner obliegenden Zahlungen werden durch Verwaltungsexekution bei-
getrieben. Die Verwaltung der Kasse ruht bei einer besonderen Kommission, deren drei Mit-
glieder vom Großherzog ernannt werden, unter Mitwirkung der Staatsschuldenkommission.
Gegen ihre Beschlüsse geht der Rekurs an das Ministerium des Innern und der Justiz.
4. Im Uebrigen sind örtliche Sparkassen, Leihhäuser u. dgl. eingerichtet, zum
Theil von den Gemeinden !?).
B. Einzelne Grwerbszweige.
§ 67. a. Landwirthschaft. 1. Unter dem Ministerium des Innern und der
Justiz steht eine „Obere landwirthschaftliche Behörde 2)", aus zwei Verwaltungsbeamten,
einem Landwirth und einem Techniker bestehend.
2. In jeder Provinz besteht auf Grund von staatlich genehmigten Statuten ein
landwirthschaftlicher Verein, mit einem ständigen Ausschuß ). Außerdem besteht für das
ganze Land ein landwirthschaftlicher „Landesausschuß"“. Obrigkeitliche Rechte oder
Zwangsbefugnisse haben diese Vereine und Ausschüsse nicht. Sie werden aber vom
Staate als berufene Vertreter der landwirthschaftlichen Interessen angesehen und deßhalb
um landwirthschaftliche Gutachten ersucht, der Landeseisenbahnbeirath wird unter Mit-
wirkung der Vereine gebildet u. s. f.
3. Dem landwirthschaftlichen Unterricht dienen die beiden Hochschulen, sowie eine
Reihe von Ackerbauschulen u. dgl.
4. Die Emanzipation des ländlichen Besitzes mit allen ihren wohlthätigen und
schädlichen Folgen ist in Hessen rascher durchgeführt als in andern Staaten. Jetzt ist
die ganze Entwickelung fast ganz abgeschlossen. Es genügt deßhalb darauf hinzuweisen,
daß am 25. Mai 1811 die persönliche Leibeigenschaft, am 9. Febr. 1811 die Untheil-
barkeit der Güter, am 15. Mai 1812 jede Art des Näherrechts, am 7. Febr. 1821
der Novalzehnt, im März 1824 Privatzehnten und Jagdfrohnden:), am 2. Mai 1849
die Lehnsherrlichkeit aufgehoben ist, daß am 7. Sept. 1814 eine umfassende Gemeinheits-
theilungsordnung erging und ein besonderes Gesetz über die Ablösung der Weiderechte?)
am 7. Mai 1849 folgte, daß am 15. August 1816 die fiskalischen, am 24. Jan. 1818
die kirchlichen Zehnten ) in Grundrenten verwandelt wurden, daß endlich das Gesetz vom
27. Juni 1836 die Ablösung der Grundrenten') durch Zahlung des 18 fachen und
das Gesetz vom 3. Okt. 1849 die Ablösung sonstiger Reallasten durch Zahlung des
25 fachen Betrages der Reallast gestattete und zugleich dem Staate die Pflicht auferlegte,
das Ablösungskapital für Rechnung der rentenpflichtigen Bauern gegen eine Verzinsung
von 3 und eine Amortisation von 1 % jährlich vorschußweise zu zahlen. Als Gemein-
heitstheilungs= und Ablösungsbehörden dienten die Kreisämter; Streitfragen wurden vom
Administrativjustizhof, seit 1874 durch die Verwaltungsgerichte entschieden?).
1) Siehe z. B. das Statut der Wormser Sparkasse, die von der Stadt unter eigener Haf-
tung verwaltet wird, Z. 5, S. 3; Statuten des Mainzer Pfandhauses, Z. 5, S. 15.
2) V. v. 4. April 1888.
3) Seit 30. April 1831 eingerichtet. Späteres Statut v. 28. Sept. 1872 u. 4. April 1888.
4) Ueber Kirchen= u. Schulfrohnden Ges. v. 29. Jan. 1836.
5) Ueber fiskalische Weiderechte Ges. v. 21. Mai 1817. Schon früher waren die Weide-
rechte sehr geschmälert, indem sie auf die halbe Brachflur beschränkt waren (Ges. v. 9. Okt. 1808).
6) Ebenso Theilabgaben von Weinbergen, Ges. v. 9. Aug. 1836.
7) Siehe auch Ges. v. 25. Mai 1831.
8) Ueber Holzzehnten Ges. v. 20. Juni 1839.
9) Goldmann, Gesetzgeb. des Großherzogtums Hessen in Beziehung auf Befreiung der
Grundeigenthums, 1831, 1841. -