132 Sechster Abschnitt: Landesverwaltung. 5. Verwaltung mit Bezug auf das geistige Leben. § 75.
Stande, so sind die Einkünfte zu Zwecken der gemeinsamen Schule zu verwenden, jedoch
ohne Verschmelzung des Kapitalvermögens und ohne Verletzung der etwaigen stiftungs-
mäßigen Bestimmungen. — In einem Falle kann sogar die Neu-Errichtung einer
konfessionellen Schule gefordert werden, wenn nämlich in der Ortsgemeinde für einzelne
Konfessionen bereits konfessionelle Schulen vorhanden sind, und nun eine weitere Kon-
fessionsgemeinde, die drei Jahre hindurch mehr als 50 schulpflichtige Kinder gehabt hat, auch
für sich eine eigene Schule verlangt. — Neben den diesen Regeln entsprechenden Schulen
kann sowohl die Ortsgemeinde als auch auf ihre eigene Kosten eine Religionsgemeinde mit
ministerieller Genehmigung freiwillig konfessionelle Schulen errichten; auch diese Schulen gelten
dann als öffentliche Volksschulen, jedoch ohne die Verpflichtung des Staats zu Zuschüssen.
3. An jeder Volksschule müssen die in der Gemeinde wohnhaften Kinder ange-
nommen werden, bei Konfessionsschulen jedoch nur die Kinder, die der Konfession an-
gehören. Ob andere Kinder zuzulassen sind, entscheidet der Schulvorstand.
4. Der Lehrplan umfaßt Religion, Lesen, Schreiben, Deutsch, Rechnen, Raum-
lehre, Erd-, Naturkunde, Gesang, Zeichnen, wenn möglich auch Turnen und für Mädchen
Handarbeiten; auf Antrag des Gemeinde= oder Schulvorstands kann die Ministerial-
Abtheilung für einzelne Schulen die Lehrgegenstände erweitern. Der allgemeine Unter-
richtsplan ) wird vom Ministerium, Lehrmittel und Schulzeit?) von der Ministerial-
Abtheilung bestimmt.
5. Jedes Kind muß die Volksschule acht Jahr — und wenn es nach Ablauf dieser
Zeit die nöthige Bildung nicht erreicht hat, noch ein neuntes Jahr — besuchen; die
Pflicht beginnt regelmäßig mit vollendetem sechsten Lebensjahr. Befreit sind Kinder, die
eine höhere öffentliche oder eine genehmigte Privatschule besuchen oder sonst einen von
der Kreisschulkommission für ausreichend erklärten Unterricht erhalten. Kinder, die die
Schule ungerechtfertigt versäumen, können durch den Gemeinde= oder Polizeidiener ab-
geholt werden, und ihre Eltern oder deren Stellvertreter sind für jede Versäumniß in
eine Strafe von 20—40 Pfennig, im Unvermögensfall in eine entsprechende Haftstrafe
zu nehmen. Die Strafe wird polizeilich festgesetzt und vollstreckt; doch ist die Berufung
auf den Rechtsweg zulässig.
6. Schulbehörden.
a) Für einzelne Gemeinden kann — nach Anhörung von Gemeinde= und Schul-
vorstand — ein besoldeter Schulin spektor vom Ministerium ernannt werden. Doch
können die Funktionen des Schulinspektors in größeren Gemeinden für einzelne Klassen
auch einem der Lehrer als Oberlehrer übertragen werden. Ist weder das eine noch
das andere geschehen, so gilt der Vorsitzende des Schulvorstandes als Schulinspektor.
b) Der Schulvorstands). Er ist für jede Gemeinde, oder, wenn konfessionell
getrennte Schulen vorhanden sind, für jede Schule zu bilden. Er besteht aus dem
Bürgermeister, einem Geistlichen von jeder an der Schule betheiligten Religionsgemeinde,
dem Schulinspektor (oder den Oberlehrern), dem dienstältesten Lehrer und 3—6 vom
Gemeindevorstand gewählten Mitgliedern; bei konfessionellen Schulen muß die Mehrzahl
der letztgenannten Mitglieder der Schulkonfession angehören und ist von der Kreisschul-
kommission zu bestätigen. Vorsitzender ist in Stadtgemeinden bei gemeinsamen Schulen
der Bürgermeister; sonst wird er von der Ministerial-Abtheilung aus den Mitgliedern
des Vorstandes widerruflich ernannt. — Die Mitgliedschaft im Schulvorstand ist Ehren-
amt; die Wahl kann nicht abgelehnt werden.
1) V. v. 2. Dez. 1874.
2) Durchschnittlich 6 Stunden täglich: höchstens 2 Monat Ferien.
3) Instr. v. 21. Sept. 1874.