6 Zweiter Abschnitt: Staat und Staatsverfassnng. 1. Staatsoberhaupt. 82.
dafür, daß das Recht des großherzoglichen Hauses auf die Deckung seines
Hofhaltsbedarfs aus Staatsmitteln privatrechtlicher und zwar ding—
licher Art ist.
Hiernach hatte der hessische Minister von Dalwigk formell Recht, als er 1866 bei der Ab-
tretung des hessischen Hinterlandes an Preußen das Eigenthum der dort belegenen Domänen als ein
Privatrecht des großherzoglichen Hauses von der Abtretung ausschließen wollte, und wenn, wie
Dalwigk berichtet, der preußische Unterhändler dies Verlangen mit dem Bemerken abgelehnt hat,
Preußen habe auch gegen die Person des Großherzogs Krieg geführt, so ist dieser Einwand von
Preußen schwerlich ernst gemeint gewesen. Aber eben nur in der Form hatte Dalwigk Recht.
Denn der Großherzog hätte ja seiner Familie nichts als das nackte Eigenthum an den Domänen
vorbehalten können, während er die Nutzung der Domänen nach Kriegsrecht unweigerlich an Preußen
überlassen mußte; und der Vorbehalt solchen nackten Eigenthums hätte der landesherrlichen Würde
des Großherzogs kaum entsprochen. Noch weniger konnte davon die Rede sein, Preußen mit einem
Theile der großherzoglichen Civilliste zu belasten; allerdings hafteten die im Hinterlande belegenen
Domänen für die Civilliste privatrechtlich; da aber die Einkünfte der bei Hessen verbleibenden
Domänen böllig ausreichten, um die Civilliste zu decken, hatte der Großherzog kein Interesse daran,
die Haftung der Hinterländer Domänen geltend zu machen, und es entsprach also lediglich dem
Ernst der Sachlage, wenn er ein praktisch werthloses Privatrecht nicht erst zum Gegenstande weiterer
Verhandlungen machte.
8) Eine Forderung gegen den Staat auf Leistung der „zu den Be-
dürfnissen des großherzoglichen Hauses und Hofs erforderlichen Summen.“
Diese Summen werden in Gestalt eines Pauschbetrages festgestellt, welcher als Civil-
liste bezeichnet wird. Und zwar wird die Civilliste nicht wie in Preußen dauernd
festgelegt, sondern für die Regierungszeit jedes Großherzogs zwischen Regierung und
Ständen besonders vereinbart; während der Regierungszeit des Großherzogs ist natürlich
eine Aenderung der Civilliste nicht ausgeschlossen und thatsächlich unter Ludwig III.
vorgekommen; sie bedarf aber der freien Zustimmung von Großherzog und Ständen?).
Zur Zeit beträgt sie 1 265 000 Mark).
Die Civilliste ist dazu bestimmt, den gesammten persönlichen Bedarf des Groß-
herzogs, sowie den Bedarf des Haus= und Hofhalts des großherzoglichen Hauses zu
decken. Die Frage ist aber, ob nicht der Großherzog oder das großherzogliche Haus für
gewisse besondere Bedürfnisse weitere Zuschüsse zur Civilliste zu verlangen befugt ist,
insbesondere ob der Staat für die erwachsenen Prinzen des großherzoglichen Haufses eine
Apanage, für die sich verheirathenden Prinzessinnen eine Aussteuer, für die Wittwen der
Prinzen ein Witthum zu zahlen verbunden ist. Die Regierung hat eine derartige Ver-
pflichtung des Staats behauptet, der Landtag hingegen hat zwar häufig solche Apanagen,
Aussteuern und Witthümer bewilligt, aber die Bewilligung stets — mit einer gleich zu
besprechenden Ausnahme — als ein freiwilliges Zugeständniß bezeichnet 3). Bei diesem
Streite steht das Recht auf Seite des Landtags. Allerdings ist nicht zu bezweifeln, daß
in vorkonstitutioneller Zeit der Staat die Verpflichtung hatte, gewisse Geldleistungen
z. B. bei der Verheirathung der Prinzessinnen zu machen; allein diese besondere Ver-
pflichtung ist jetzt gegenstandslos, seitdem der Staat laut Verfassung Art. 7 sämmt-
liche Bedürfnisse des großherzoglichen Haus= und Hofhaltes zu decken verpflichtet ist:
da die standesgemäße Apanagirung und Aussteuerung sämmtlicher Prinzen und Prinzes-
sinnen selbstverständlich zu den Bedürfnissen des großherzoglichen Hofhalts gehört, so
1) Verf. 70. II. Kammer, 19. Landt. Protok., Bd. 2, Nr. 19.
2) Unter Ludewig I. betrug sie 591 603 Fl., unter Ludwig II. 581 000 Fl., unter Ludwig III.
698 000 Fl., unter Ludwig IV. 1096288 Mk.
3) II. Kammer, 22. Landt. Protokoll, Bd. 6, Nr. 72, S. 27; 25. Landt. Beilage, Bd. 1,
6 6 153 26. Landt. Beilage, Bd. 1, Nr. 44, S. 225. Siehe auch 18. Landtag Beilage,
.1, Nr.