16 Zuweiter Abschnitt: Staat und Staatsverfassung. 2. Staatsangehörige und Staatsgebiet. § 7
Laubach, Solms-Rödelheim, Isenburg-Meerholz, Stolberg-Roßla (wegen Ortenberg), Schlitz
genannt von Görtz), Erbach-Erbach, Erbach-Fürstenau, Erbach-Schönberg, Leiningen-
Westerburg 2) (wegen Ilbenstadt).
Die Vorrechte der Standesherren waren nach ihrer Unterwerfung unter die hessische
Landeshoheit anfänglich sehr bedeutend, was die Polizei und Gerichtsbarkeit über ihr
Gebiet, ein beschränktes Begnadigungsrecht 3), ihre Steuerbegünstigungen, ihren bevorzugten
Gerichtsstand u. dgl. anbetraf (Edikt vom 1. Aug. 1807, 17. Febr. 1820), erklärlich
genug, da sie noch kurz zuvor den hessischen Landgrafen völlig gleichberechtigt zur Seite
gestanden hatten; doch verzichteten die Standesherrn meist vertragsmäßig auf ihre
wichtigsten Regierungsrechte!). Das Gesetz vom 7. Aug. 1848 nahm ihnen sodann
ihre bevorrechtete Stellung fast ganz. Später ist ein Theil ihrer Vorrechte durch Edikt
vom 18. Juli 1858 wieder hergestellt. Schließlich hat aber die Reichsgesetzgebung
ihnen wieder einige Vorrechte genommen, z. B. den besonderen Gerichtsstand in bürger-
lichen Streitsachen vor dem Oberlandesgericht. Im Ganzen ist zur Zeit die Stellung
der Standesherren in Hessen ungünstiger als in Preußen.
Die Vorrechte der Standesherren und ihrer Familien sind jetzt die folgenden?):
a) Ebenbürtigkeit mit den regierenden Häusern.
b) Die Standesherren sind geborene Mitglieder, der ersten Kammer.
Jc) Sie und sämmtliche Mitglieder ihres Hauses sind nicht wehrpflichtig; die zur
Wohnung für sie bestimmten Gebäude sind frei von Einquartirung").
2) Sie sind vom Zwang der Jagdwaffenpässe befreit; ebenso sie und ihre Familie
innerhalb ihres Gebiets vom Chausseegeld. Im Uebrigen besitzen sie keine Steuer-
befreiung.
e) Innerhalb ihres Privatbesitzes kann die Ortspolizei Personen übertragen werden,
welche der Großherzog auf ihren Vorschlag ernennt.
1) Bei Bildung der Kreise, Gerichtsbezirke u. s. f. soll eine Zerreißung des standes-
herrlichen Gebiets thunlichst vermieden werden.
8) Ihr Gerichtsstand in bürgerlichen Streitsachen ist seit der neuen Justizorgani-
sation der gewöhnliche, ebenso in Grundbuchsachen; in den übrigen Sachen der freiwilligen
Gerichtsbarkeit stehen sie sammt ihrer Familie unter dem Oberlandesgericht in Darm-
stadt?'). In Strafsachen ist der Gerichtsstand der Standesherren bei einem Gericht,
welches unter dem Vorsitz des Oberlandesgerichtspräsidenten und unter berathender Mit-
wirkung zweier Oberlandgerichtsräthe aus sechs vom Großherzoge ernannten Standes-
genossen des Angeschuldigten besteht 3). Das gleiche Vorrecht ist durch ein hessisches Gesetz
allen Mitgliedern der standesherrlichen Häuser eingeräumt; doch widerspricht dieses Gesetz
dem Reichsrecht und ist deßhalb ungültig?).
h) Sie haben nach Maßgabe des Besitzstandes von 1848 das Kirchen= und Schul-
patronat innerhalb ihres Gebiets; ebenso bei neubegründeten Kirchen oder Schulen ihres
Gebiets, wenn sie deren Fundation übernehmen.
1) Bek. v. 30. Dez. 1808.
2) Ueber diesen siehe 26. Landt. I. Kammer, Beilage 16.
3) V. v. 24. Febr. 1812.
4) Siehe oben S. 2.
5) Edikt vom 18. Juli 1858.
6) Reichsges. v. 9. Nov. 1867, § 1, v. 25. Juni 1868, § 4.
7) Edikt Art. 126. Ges. vom 3. Sept. 1878, Art. 9.
8) Edikt, Art. 12 a. Gesetz vom 3. Sept. 1878, Art. 9.
9) Hess. Ges. v. 3. Sept. 1878, Art. 9, verglichen mit dem Einf.Ges. zum G.V.Ges., 8 7,
welches nur von den „Standesherren" spricht.