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b) In Civilsachen ist ein Zeugnißzwang mittels Haft gegen Ständemitglieder nur
mit Erlaubniß der Kammer statthaft (CPO. 8 785, 786). JFür den Strafprozeß ist
die gleiche Regel nicht aufgestelltt und da die Haft wegen Zeugnißverweigerung kein
Straf-, sondern ein Zwangsverfahren enthält, so trifft auch EG. zur StO. 8 6 hier
nicht zu; die Ständemitglieder unterliegen also im Strafprozeß dem gewöhnlichen
Zeugnißzwang.
6. Ständemitglieder können die Berufung zum Amt eines Schöffen oder Geschwo-
renen ablehnen (GG. §8 35, 83).
7. Bekleidet das Ständemitglied ein Staats= oder Gemeindeamt, dessen Sitz von
dem Ort der Ständeversammlung verschieden ist, so muß das Mitglied, um sich an den
Ständeverhandlungen betheiligen zu können, Urlaub nehmen. Die vorgesetzte Behörde
kann den Urlaub abschlagen, wenn das Interesse des Amts dies erfordert, und sie kann,
wenn eine Stellvertretung nöthig wird, die Kosten dem Ständemitglied auferlegen. Diese
Regeln sind für Privatbeamte selbstverständlich; der Privatbeamte, der zum Abgeordneten
gewählt wird, darf sein Amt nicht im Stich lassen. Da das Gesetz schweigt, ist nicht
zuzugeben, daß ein öffentlicher Beamter, der zum Abgeordneten gewählt wird, seine
Amtspflichten leichter nehmen darf, wie ein Privatbeamter.
8. Jedes Mitglied erhält als Vergütung für Reisekosten und als Entschädigung
für den Aufenthalt am Orte der Versammlung täglich den Betrag von 9 Mark. Aus-
genommen sind die geborenen Mitglieder der ersten Kammer und diejenigen Mitglieder,
deren Wohnsitz nicht weiter als eine halbe Stunde vom Orte der Versammlung ent-
fernt ist 7).
§ 12. d. Eröffnung und Dauer der Landtage. 1. Die Ständeversammlung ist
nicht „in Permanenz“ thätig, sondern wirkt in einzelnen „LJandtagen“. Jeder
Landtag ist von dem andern rechtlich getrennt (Grundsatz der „Diskontinuität"); deß-
halb sind für jeden Landtag das Büreau und die Ausschüsse neu zu wählen; Entwürfe,
die in einem Landtage unvollendet liegen geblieben, gehen auf den folgenden Landtag
nicht ohne Weiteres über, sondern sind von Neuem einzubringen und zu berathen.
2. Jeder Landtag beginnt mit der „Einberufung“ und „Eröffnung“. Die Ein-
berufung muß mindestens einmal innerhalb der dreijährigen Wahlperiode erfolgen.
Sie geschieht durch den Großherzog, ist im Regierungsblatt bekannt zu machen und
jedem Mitgliede besonders anzuzeigen. Sobald die nöthige Zahl der Mitglieder sich
eingefunden (12 bei der ersten, 27 bei der zweiten Kammer), wird jede Kammer von
dem dazu bestellten großherzoglichen Kommissär zu einer Sitzung einberufen, in welcher
das Büreau gewählt wird. Sind hiemit beide Kammern „konstituirt“, so werden sie
in gemeinsamer Sitzung durch den Großherzog in Person oder einem dazu besonders
bestellten großherzoglichen Kommissär feierlich „röffnet“", meist unter Verlesung
einer „Thronrede“. Mit der Eröffnung wird die Vereidigung der neu eingetretenen
Ständemitglieder verbunden 2).
3. Jeder Landtag endigt mit einem Landtagsschluß oder einer Landtagsauflösung.
a) Der Landtagsschluß muß spätestens zu Ende der dreijährigen Wahl-
periode geschehen. Denn zu diesem Zeitpunkte scheidet die Hälfte der Mitglieder der zweiten
Kammer aus, und die einfache Fortsetzung des bisherigen Landtags mit der neuen
wesentlich verschieden zusammengesetzten Ständeversammlung ist nicht zulässig. Doch kann
natürlich der Landtagsschluß bereits lange vor Ablauf der Wahlperiode erfolgen; wird
1) Landständ. Geschäftsordn. v. 1820, Ges. vom 11. Juni 1875.
2) Verf. 63, 64. Geschäftsordn. 1, 3, 4, 6, 9, 10—13.