Full text: Handbuch des Öffentlichen Rechts. Band III.1.4. Das Staatsrecht des Großherzogtums Hessen. (4)

* 12. Eröffnung und Dauer der Landtage. 25 
b) In Civilsachen ist ein Zeugnißzwang mittels Haft gegen Ständemitglieder nur 
mit Erlaubniß der Kammer statthaft (CPO. 8 785, 786). JFür den Strafprozeß ist 
die gleiche Regel nicht aufgestelltt und da die Haft wegen Zeugnißverweigerung kein 
Straf-, sondern ein Zwangsverfahren enthält, so trifft auch EG. zur StO. 8 6 hier 
nicht zu; die Ständemitglieder unterliegen also im Strafprozeß dem gewöhnlichen 
Zeugnißzwang. 
6. Ständemitglieder können die Berufung zum Amt eines Schöffen oder Geschwo- 
renen ablehnen (GG. §8 35, 83). 
7. Bekleidet das Ständemitglied ein Staats= oder Gemeindeamt, dessen Sitz von 
dem Ort der Ständeversammlung verschieden ist, so muß das Mitglied, um sich an den 
Ständeverhandlungen betheiligen zu können, Urlaub nehmen. Die vorgesetzte Behörde 
kann den Urlaub abschlagen, wenn das Interesse des Amts dies erfordert, und sie kann, 
wenn eine Stellvertretung nöthig wird, die Kosten dem Ständemitglied auferlegen. Diese 
Regeln sind für Privatbeamte selbstverständlich; der Privatbeamte, der zum Abgeordneten 
gewählt wird, darf sein Amt nicht im Stich lassen. Da das Gesetz schweigt, ist nicht 
zuzugeben, daß ein öffentlicher Beamter, der zum Abgeordneten gewählt wird, seine 
Amtspflichten leichter nehmen darf, wie ein Privatbeamter. 
8. Jedes Mitglied erhält als Vergütung für Reisekosten und als Entschädigung 
für den Aufenthalt am Orte der Versammlung täglich den Betrag von 9 Mark. Aus- 
genommen sind die geborenen Mitglieder der ersten Kammer und diejenigen Mitglieder, 
deren Wohnsitz nicht weiter als eine halbe Stunde vom Orte der Versammlung ent- 
fernt ist 7). 
§ 12. d. Eröffnung und Dauer der Landtage. 1. Die Ständeversammlung ist 
nicht „in Permanenz“ thätig, sondern wirkt in einzelnen „LJandtagen“. Jeder 
Landtag ist von dem andern rechtlich getrennt (Grundsatz der „Diskontinuität"); deß- 
halb sind für jeden Landtag das Büreau und die Ausschüsse neu zu wählen; Entwürfe, 
die in einem Landtage unvollendet liegen geblieben, gehen auf den folgenden Landtag 
nicht ohne Weiteres über, sondern sind von Neuem einzubringen und zu berathen. 
2. Jeder Landtag beginnt mit der „Einberufung“ und „Eröffnung“. Die Ein- 
berufung muß mindestens einmal innerhalb der dreijährigen Wahlperiode erfolgen. 
Sie geschieht durch den Großherzog, ist im Regierungsblatt bekannt zu machen und 
jedem Mitgliede besonders anzuzeigen. Sobald die nöthige Zahl der Mitglieder sich 
eingefunden (12 bei der ersten, 27 bei der zweiten Kammer), wird jede Kammer von 
dem dazu bestellten großherzoglichen Kommissär zu einer Sitzung einberufen, in welcher 
das Büreau gewählt wird. Sind hiemit beide Kammern „konstituirt“, so werden sie 
in gemeinsamer Sitzung durch den Großherzog in Person oder einem dazu besonders 
bestellten großherzoglichen Kommissär feierlich „röffnet“", meist unter Verlesung 
einer „Thronrede“. Mit der Eröffnung wird die Vereidigung der neu eingetretenen 
Ständemitglieder verbunden 2). 
3. Jeder Landtag endigt mit einem Landtagsschluß oder einer Landtagsauflösung. 
a) Der Landtagsschluß muß spätestens zu Ende der dreijährigen Wahl- 
periode geschehen. Denn zu diesem Zeitpunkte scheidet die Hälfte der Mitglieder der zweiten 
Kammer aus, und die einfache Fortsetzung des bisherigen Landtags mit der neuen 
wesentlich verschieden zusammengesetzten Ständeversammlung ist nicht zulässig. Doch kann 
natürlich der Landtagsschluß bereits lange vor Ablauf der Wahlperiode erfolgen; wird 
1) Landständ. Geschäftsordn. v. 1820, Ges. vom 11. Juni 1875. 
2) Verf. 63, 64. Geschäftsordn. 1, 3, 4, 6, 9, 10—13.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.