28 Zweiter Abschnitt: Staat und Staatsverfassung. 3. Der Landtag. § 13.
richten, sei es auf Grund einer bei ihr eingegangenen Petition, sei es aus eigenem An-
triebe. Allerdings braucht die Regierung weder die gewünschte Auskunft zu ertheilen,
noch der Beschwerde Folge zu geben. Trotzdem ist das Recht der Interpellation und
Beschwerdeführung nicht ohne rechtliche Bedeutung; es hat vielmehr den Sinn, daß jede
Kammer kraft dieses Rechts die ganze Staatsverwaltung öffentlich straffrei besprechen
kann. — Ein Recht, selbständige aus sich selbst verbindliche Befehle zu ertheilen, hat
die Versammlung nicht; ihr fehlt jede Zwangsgewalt. Sie darf nur mit den Ministerien
und den großherzoglichen Landtagskommissären verhandeln, nicht z. B. mit der Ober-
rechenkammer oder mit den Gerichten 7).
5. Anträge gehen von der Regierung oder von Ständemitgliedern 2) aus.
a) Die Regierung kann nur selbständige Gesetzentwürfe einbringen und die von
ihr eingebrachten Entwürfe zurücknehmen; dagegen kann sie z. B. die Abänderung eines
von anderer Seite gestellten Antrages nicht beantragen.
b) Bei gewissen Anträgen ist, wenn sie aus der Mitte des Hauses hervorgehen,
die Unterstützung durch eine größere Zahl von Mitgliedern nöthig, z. B. bei Gesetzes-
entwürfen durch 10, bei Anträgen auf namentliche Abstimmung durch 7, bei Schluß-
anträgen durch 5 Mitglieder 5).
c) Die von einer Kammer abgelehnten Anträge der Regierung oder der andern
Kammer oder eines Mitglieds der Kammer können in demselben Landtage nicht wieder-
holt werden!).
6) Form der Berathung.
a) Jede Kammer führt ihre Berathung getrennt; meist nacheinander; gleichzeitig
nur dann, wenn der zu berathende Antrag gleichzeitig in beiden Kammern eingebracht
wird. Beim Finanzgesetz ist letzteres verboten: er ist zuerst bei der zweiten Kammer
einzubringen; auch hat beim Finanzgesetz die erste Kammer nur das Recht, die Beschlüsse
der zweiten Kammer im Ganzen anzunehmen oder zu verwerfen, darf also keine Einzel-
heiten abändern; verwirft die erste Kammer die Beschlüsse der zweiten im Ganzen, so
werden beide Kammern zu gemeinsamer Berathung vereinigt 5).
b) Jede Kammer beschließt zunächst, ob die Sache einem Ausschuß zu über-
weisen isté). Bei Finanzsachen, Gesetzesvorlagen und, falls hier nicht sofort Uebergang
zur Tagesordnung beschlossen wird, bei Anträgen von Mitgliedern, welche eine Geld-
bewilligung nöthig machen, ist die Ueberweisung an einen Ausschuß nothwendig?).
) Demnächst erste Berathung im Plenum. Abänderungsvorschläge (Amendements)
stehen jedem Mitgliede frei, ausgenommen bei der Berathung des Finanzgesetzes in der
ersten Kammer. Abstimmung nur artikelweise, nicht über das Ganze 5).
d) Sodann zweite Berathung im Plenum; Abänderungsvorschläge sind nur bei
Unterstützung durch 10 Mitglieder zulässig; Abstimmung artikelweise und über das
Ganze. Zusammenziehung der ersten und zweiten Berathung ist nur statthaft, wenn
die Sache an einen Ausschuß überwiesen war .
1) Verf. 79—82, 96; Geschäftsordn. 22, 53.
2) Das Recht der Ständemitglieder, auch ihrerseits Gesetzentwürfe einzubringen (gesetzgeberische
neinstl war durch Verf., Art. 76, ausgeschlossen und ist erst durch die Geschäftsordn. v. 1874
zugestanden.
3) Geschäftsordn. 19, 22, 38, 42, 44, 45. 4) Verf. 91, Geschäftsordn. 21.
5) Verf. 67.
6) Regierungsvorschläge, die während einer Vertagung der Kammer eingehen, können dem
zuständigen Ausschuß sofort vom Präsidenten überwiesen werden. Geschäftsordn. 18.
7) Geschäftsordn. 33, 35. 8) Geschäftsordn. 44.
9) Geschäftsordn. 45. «