l 15. Die Justizbehörden. 33
Verschollenheitserklärung. Für Angelegenheiten der Standesherren, ausgenommen Grund-
buchsachen, das Oberlandesgericht.
2. In Starkenburg und Oberhessen die Ortsgerichte:). Regelmäßig ist für
jede Gemeinde eines zu errichten. Sie bestehen aus einem Vorsteher und 3—7
Gerichtsmännern; die Mitglieder müssen zur Gemeindevertretung wählbar sein und in
der Gemeinde Grundbesitz haben; einer Vorbildung bedürfen sie nicht, sodaß sie zwar
Orts= und Personenkenntniß, oft aber keine Geschäftskenntniß besitzen. Sie beziehen kein
Gehalt, wohl aber Gebühren. Ernennung und Entlassung durch das Amtsgericht mit
Bestätigung seitens des Ministeriums. Zuständig für die Aufnahme der meisten Ver-
träge, Beglaubigung von Unterschriften u. dgl. Auch bei der Führung der Grund= und
Hypothekenbücher wirken die Ortsgerichte mit.
3. In Rheinhessen die Notare2). Ernennung durch den Großherzog auf
Lebenszeit. Fähig nur, wer die Fähigkeit zum Richteramt erlangt hat; außerdem soll
der Ernennung ein einjähriger Vorbereitungsdienst bei einem Notar vorausgehen. Kein
Gehalt oder Pension 3), sondern Gebühren. Keine Kautionspflicht. Eine durch Wahl
der Notare gebildete Notarskammer hat die gemeinsamen Interessen der Notare wahr-
zunehmen, jedoch keine Disziplinarbefugniß. Sie sind zuständig für die Aufnahme der
meisten Verträge und der Testamente.
4. In Rheinhessen die Hypothekenämtery, vier an der Zahl, jedes mit
einem Hypothekenbewahrer besetzt. Ernennung durch den Großherzog auf Lebenszeit.
Fähig nur, wer zum Richteramt fähig ist. Keine Besoldung, sondern Gebührenbezug).
Kautionspflicht. Sie sind zuständig nur für Hypothekengeschäfte.
IV. Gerichtsschreiber, bei jedem Gerichte mindestens einer, vom Groß-
herzog auf Lebenszeit ernannt; außerdem nach Bedarf Hülfsgerichtsschreiber, vom Mini-
sterium auf Widerruf ernannt. Die Gerichtsschreiber am Oberlandesgericht und an den
Landgerichten müssen, anders als in Preußen, die Befähigung, zum Richteramt besitzen?).
Die Gerichtsschreiber sind kautionspflichtig.
V. Gerichtsvollzieher.r), vom Ministerium nach zweijähriger Vorbereitung
und abgelegter Prüfung auf Widerruf ernannt. Kautionspflichtig. Sie sind außer zu
den ihnen reichsgesetzlich überwiesenen Geschäften auch zur Vornahme von Versteigerungen,
zur Aufnahme von Wechselprotesten u. s. f. zuständig. — Für Zustellungen in Sachen
der freiwilligen Gerichtsbarkeit, in Forst= und Feldrügesachen u. s. f., sind auch die Ge-
richtsdiener zuständig ). ·
VI. Staatsanwaltschaft'). Beim Oberlandesgericht ein Oberstaats-
anwalt, bei jedem Landgericht ein erster Staatsanwalt und nach Bedarf weitere Staats-
anwälte. Bei den Amtsgerichten werden die Geschäfte der Staatsanwaltschaft entweder
durch die Staatsanwälte des Landgerichts oder durch besondere Amtsanwälte oder endlich
durch andere geeignete Beamte, in Forstrügesachen durch Forstbeamte, besorgt; die Amts-
1) V. v. 16. Oct. 1852 u. 14. Mai 1879.
3 Ges. v. 11. Juni 1879. Ueber Stellvertretung von Notaren, Ges. v. 9. Sept. 1874.
3) Wohl aber Wittwen und Waisenpension. Der Beitrag des Notars zu der Pensionskasse
beträgt 3% des durchschnittlichen Richtergehalts. Ges. v. 30. Juni 1886. Art. 4, 9.
4) Ges. vom 5. Aug. 1878. V. v. 26. Aug. 1889.
5) Penfion, nach einem fingirten Gehaltssatz von 3500 Mk. berechnet. V. v. 10. Nov. 1886.
6) Für die übrigen Gerichtsschreiber Prüf. Ordn. v. 10. Mai 1880.
7) Gerichtsvollzieherordn. v. 21. Mai 1879, Instruktion v. 5. Aug. 1879, 6. Nov. 1886,
15. April 1890, Prüfungsordn. vom 10. Mai 1880.
8) Ges. v. 9. Juni 1879, Art. 2; v. 10. Juni 1879, Art. 6. V. v. 5. Sept. 1879.
Instruktion 4. Dez. 1890.
9) Ausf.Ges. z. GVG., Art. 22 ff. V. v. 14. Mai 1879, § 8. Ges. v. 10. Juni 1879, Art. 3.
Handbuch des Oeffentlichen Rechts III. 2. Aufl. Hessen. 3