§5 17. Die Verwaltungsgerichte. 39
und Provinzialausschüsse ist bereits früher geschildert, da diese Organe zugleich Ver-
waltungsbehörden sind ). Näher einzugehen ist also hier nur auf den Verwaltungs-
gerichtshof?). Diese Behörde ist, anders als das preußische Oberverwaltungsgericht,
meist nebenamtlich besetzt und zwar mit höheren Verwaltungsbeamten und mit Mitgliedern
des Oberlandesgerichts auf die Dauer ihres Hauptamts; doch kann die Mitgliedschaft
im Verwaltungsgerichtshof auch als Hauptamt auf Lebenszeit übertragen werden. Der
Gerichtshof faßt seine Beschlüsse in der Besetzung mit 7 Mitgliedern, von denen drei —
also nur die Minderheit! — richterliche sein müssen.
2. Die soeben genannten Verwaltungsgerichte sind so organisirt, daß sie — der
ihnen gestellten Aufgabe gemäß — eine Gewähr für gründliche und unparteiische Be-
handlung der ihnen überwiesenen Sachen bieten sollen. Sie sind sämmtlich Kollegien,
die ihre Beschlüsse mit Stimmenmehrheit fassen. Sie sind ferner, was den Inhalt ihrer
Beschlüsse angeht, nicht dem Ministerium oder sonstigen Verwaltungsbehörden, sondern
nur den Verwaltungsgerichten höherer Instanz unterworfen; und auch diese höheren Ver-
waltungsgerichte können erst dann eingreifen, nachdem die von den unteren Instanzen
zunächst völlig unabhängig getroffene Entscheidung im Rekurswege mit Einhaltung fester
Formen und Fristen an die höheren Instanzen übergegangen ist; auch ist die im Rekurs-
wege getroffene Entscheidung der höheren Instanzen nur für den Einzelfall, wegen dessen
der Rekurs eingelegt ist, verbindlich, nicht für andere Fälle. Sodann können beim Ver-
waltungsgerichtshof etwaige nicht unbefangene Mitglieder seitens der Parteien in gleicher
Art abgelehnt werden, wie dies im Civilprozeß statthaft ist; bei den Kreis= und Provinzial-
ausschüssen gilt diese Regel freilich nicht; hier sind jedoch nahe Verwandte der Parteien
u. s. f. von Rechtswegen als Richter ausgeschlossen.
Endlich sind wenigstens die gewählten Mitglieder der Kreis= und Provinzial-
ausschüsse, die Mitglieder des Bundesamts und die richterlichen oder im Hauptamt an-
gestellten Mitglieder des Verwaltungsgerichtshofs insoweit persönlich unabhängig gestellt,
als sie nur im Disziplinarwege aus ihrem Amt entfernt werden können?).
Dagegen sind die nicht gewählten Mitglieder der Ausschüsse persönlich abhängig,
da sie auch außerhalb des Disziplinarwegs ihres Amts jederzeit nach Willkür entsetzt
werden können. Das gleiche gilt für die im Nebenamt ernannten nicht richterlichen
Mitglieder des Verwaltungsgerichtshofs; denn sie können aus ihrem Hauptamt nach Be-
lieben entlassen werden und verlieren damit zugleich ihre Stellung im Verwaltungs-
gerichtshof"); ein bedenklicher Satz, besonders wenn erwogen wird, daß die im Nebenamt
ernannten nicht richterlichen Mitglieder im Verwaltungsgerichtshof die Mehrheit bilden
können.
3. Das Verfahren5) der Verwaltungsgerichte ist von dem Beschlußverfahren vor
Allem dadurch verschieden, daß es auf den Grundsatz der Mündlichkeit, der Oeffentlich-
keit und des beiderseitigen Gehörs beruht.
Einzelheiten:
a) Das Verfahren wird nur auf schriftlichen Antrag („Klagschrift“) eingeleitet.
b) Die mündliche Verhandlung kann in erster Instanz unter gewissen Voraus-
1) Siehe oben S. 35, 36.
2) Ges. v. 11. Jan. 1875 u. 16. April 1879.
3) Siehe darüber unten S. 49, 52 und oben S. 36.
gt 24 Ebenso“ beim preuß. Gerichtshof f. Kompetenzkonflikte. Siehe Bornhak, preuß. Staats-
re ,..
5) Art. 55—65. Einige Abweichungen gelten für das Verfahren bei Verweigerung und
Zurücknahme von Gewerbekonzessionen (V. v. 1. Nov. 1869) und bei Streitigkeiten zwischen Armen-
verbänden (Ges. v. 14. Juli 1871).