817. Die Verwaltungsgerichte. 41
c) Wenn bei einer der zu a) und b) genannten Sachen die Gemeinden mehrerer
Kreise betheiligt sind, so ist in erster Instanz nicht der Ausschuß eines dieser Kreise,
sondern der Provinzialausschuß zuständig, in zweiter Instanz der Verwaltungsgerichtshof.
In diesen Fällen geht also einfach eine Instanz verloren. Doch sollen alle Kreis-
ausschüsse der Kreise, welchen die betheiligten Gemeinden angehören, vom Provinzial-
ausschuß gehört werden.
d) Schließlich ist bei Streitigkeiten zwischen zwei Armenverbänden zuständig in
erster Instanz der Provinzialausschuß, in zweiter Instanz das Bundesamt für Heimaths-
wesen.
5. a) Die höhere Instanz greift, wie bereits erwähnt, nur ein, wenn gegen das
Urtheil !) der Vorinstanz Rekurs eingelegt ist. Der Rekurs ist binnen 14 Tagen#) seit
Zustellung des anzufechtenden Urtheils bei der Vorinstanz einzulegen und zu recht-
fertigen 3); die Rechtfertigungsfrist kann in nicht schleunigen Sachen auf Antrag ver-
längert werden; dagegen ist die Einlegungsfrist „unerstrecklich“; die Betheiligten sind
über das Rekursrecht, die Fristen u. s. f. von der Vorinstanz ausdrücklich zu belehren.
b) Das Rekursrecht" steht den „Betheiligten“ zu; außerdem kann, was besonders
wichtig, auch im öffentlichen Interesse gegen jedes verwaltungsgerichtliche Erkenntniß
Rekurs eingelegt werden 5), und zwar steht das Rekursrecht dem Vorsitzenden desjenigen
Gerichts zu, welches das anzufechtende Erkenntniß gefällt hat ); nur bei Streitigkeiten
unter Armenverbänden fällt das „Rekursrecht im öffentlichen Interesse“ fort.
„Betheiligt“, also rekursberechtigt, sind nicht bloß die Parteien, sondern auch jeder,
dessen rechtliches Interesse durch die Entscheidung berührt wird, mag das Gericht ihn
gemäß Art. 65 zum Prozesse „beigeladen“ haben oder mag die Beiladung unterblieben
sein. Allerdings scheint aus Art. 65 KO. hervorzugehen, daß das Urtheil gegenüber
einem nicht beigeladenen Interessenten keine Wirkung besitze und daß also solch ein In-
teressent gar keinen Anlaß zur Rekurserhebung habe; indeß gibt es zweifellos Fälle, wo
ein Urtheil über den Kreis der Parteien und etwa beigeladener Dritter hinaus Wirkung
hat, z. B. wenn es eine ländliche Bürgermeisterwahl für ungültig erklärt; und alsdann
müssen, so gut wie die Gegner des Bürgermeisters auf Ungültigkeitserklärung der Wahl
klagen durften, die Wähler des Bürgermeisters im Rekurswege die Gültigkeitserklärung
verfolgen können. Denn was dem einen recht, ist dem andern billig?).
6. Der Provinzialausschuß und das Bundesamt wirken in der Rekursinstanz als
Berufungsgericht; d. h. sie haben auch die Thatfrage zu beurtheilen und können auch
neue Behauptungen und Beweismittel berücksichtigen. Der Verwaltungsgerichtshof wirkt
dagegen als Revisions= oder Kassationsgericht; er darf also nur prüfen, „ob
wesentliche Vorschriften in Bezug auf das Verfahren nicht beobachtet oder Bestimmungen
3.1 . Gegen prozeßleitende Verfügungen ist Rekurs unzulässig. Entsch. d. Ministeriums,
2) Dies ist die regelmäßige Frist, neben der aber noch abweichende Fristen vorkommen.
3) Die Rechtfertigung ist also wesentliche Form für die Wahrung des Relursrechts; eine
Bechtfertigung, die die Beschwerdepunkte nicht bestimmt bezeichnet, genugt nicht. Entsch. d. Verw.
G.'3, Z. 4, S. 60. Entsch. d. Ministeriums Z. 3, S. 107, ie Z. 3, S. 18.
4) „E 67, 111. 5) KO., Art. 67, 111) Abs. 6
6) Also gegen zweitinstanzliche urtheile des rooinziglaugschuse nicht dem Kreisrath, son-
dern dem Krovinzialdirektor Entsch. d. Verw.G.'s Z. 5, S. 66, 82. Siehe auch auch Z. 15,
S. 86. Abw. Entsch. d. Min. „Z. 4, S. 51. — Der Vorsitzende, wenn er den Rekurs einlegt,
wird dadurch nicht zur Partei in der Rekursinstanz, unterliegt also z. B. dem Präjudiz des Art. 59,
Abs. 2 nicht. Entsch, des Ministeriums Z. 1, S. 4. Wohl aber muß er die gleichen Fristen und
Formen einhalten, wie jeder andere Rekurrent, Entsch. des Wiuift. Z. 15, S. 86.
7) Abw. Entsch, des Prov. Aussch. Starkenb. Z. 3, S. 61.