Full text: Handbuch des Öffentlichen Rechts. Band III.1.4. Das Staatsrecht des Großherzogtums Hessen. (4)

8 20. Anstellung im Staatsdienst. 45 
Beamten: denn bei letzteren ist der Widerruf der Anstellung nur eine Ausnahme, welche 
bloß aus besonderen Gründen Platz greifen soll; es wird ihnen also thatsächlich die 
Aussicht auf eine dauernde Stellung im Staatsdienst eröffnet; bei Personen, welchen 
nicht einmal eine widerrufliche Anstellung gewährt wird, kann dagegen von einer der- 
artigen Aussicht keine Rede sein. Die Unterscheidung dieser drei Arten von Beamten 
ist namentlich für die Pensionsansprüche von Bedeutung. 
§ 20. b. Anstellung im Staatsdienst. 1. Niemand hat ein Recht auf Anstellung 
im Staatsdienst, selbst der nicht, der die vorgeschriebenen Prüfungen abgelegt hat. Auch 
kann die Anstellung nicht im Voraus versprochen werden: Anwartschaften auf ein Amt 
sind ausgeschlossen (Verf. Art. 48). Doch sind bei der Besetzung einer großen Reihe von 
Aemtern gediente Militärpersonen vorzugsweise zu berücksichtigen 7. 
2. Die Anstellung der höheren Staatsdiener geschieht durch den Großherzog, die 
Anstellung von Staatsdienern geringeren Ranges durch die Ministerien oder andere 
Behörden. Ausnahmsweise steht bei der Anstellung von Beamten gewissen Personen 
oder Korporationen ein Vorschlagsrecht zu: so bei der Anstellung von Handelsrichtern 
den Handelskammern. 
3. Von der Anstellung ausgeschlossen sind alle Personen, die zu Zuchthausstrafe 
verurtheilt worden oder denen die bürgerlichen Ehrenrechte aberkannt sind oder gegen 
die auf Unfähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Aemter erkannt ist?. 
4. Niemand kann — ausgenommen im Gebiete der Selbstverwaltung — ein 
Staatsamt erlangen, ohne seine Fähigkeit dazu durch ordnungsmäßige Prüfung nach- 
gewiesen zu haben. Dies gilt auch für die höchsten Staatsämter, z. B. die der Minister, 
für die in Preußen und im Reich ein besonderer Befähigungsnachweis nicht gefordert 
wird; nur wer im Auslande bereits ein Staatsamt bekleidet hat, kann auch ohne Prüfung 
angestellt werden (Verf. Art. 47). 
Die Prüfungsordnung ist für die verschiedenen Arten der Aemter natürlich sehr 
verschieden bestimmt. Von allgemeiner Bedeutung ist die juristische Prüfungs- 
ordnungs), welche das Reifezeugniß eines Gymnasiums, dreijähriges Universitätsstudium, 
eine Prüfung vor der juristischen Fakultät der Landesuniversität, dreijährigen praktischen 
Vorbereitungsdienst als „Accessist“ bei Gericht, Rechtsanwalt und Kreisamt und schließlich 
eine Staatsprüfung fordert!"!); sie ist die Voraussetzung für die Anstellung als höherer 
Verwaltungsbeamter, Richter, Staatsanwalt, Notar, Hypothekenbewahrer und erster Ge- 
richtsschreiber bei einem Kollegialgericht. Sodann die kameralistische Prüfungs- 
ordnung?), welche das Reifezeugniß eines Gymnasiums oder Realgymnasiums, dreijähriges 
Universitätsstudium, eine Vor= und Fachprüfung bei der Landesuniversität"), zweijährige 
praktische Vorbereitung als Accessist bei Finanzbehörden und schließlich eine Staats- 
prüfung fordert: sie ist die Voraussetzung für die Anstellung als Finanzbeamter. 
5. Beamte, die eine Kasse u. dgl. unter sich haben, müssen bei ihrer Anstellung 
eine Dienstkaution stellen. 
6. Jeder Beamte wird durch seine vorgesetzte Behörde alsbald vereidigt?). Doch 
beginnen seine Dienstpflichten schon vorher, mit dem Empfang seines Anstellungsdekrets. 
1) Bek. v. 28. Mai 1890. 2) Str. G. B. §§ 31, 34, 85. 
3) V. v. 30. April 1879. 
4) Doch kann auch die erste Prüfung in einem andern deutschen Staat und bis auf die Dauer 
eines Jahres auch der dortige Vorbereitungsdienst für genügend angesehen werden. 
5) V. v. 31. Juli 1879. 
6) Sie erstreckt sich auf Mathematik, Naturwissenschaft, Nationalökonomie und einzelne Zweige 
der Rechts- und Forstwissenschaft und der landwirthschaftlichen Technologie. 
7) Verf. Art. 108, Ges. v. 12. Okt. 1890.
	        
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