Full text: Handbuch des Öffentlichen Rechts. Band III.1.4. Das Staatsrecht des Großherzogtums Hessen. (4)

48 Zweiter Abschnitt: Staat und Staatsverfassung. 5. Der Staatsdienst. 8 24. 
nicht. Dagegen haftet der Staat für Versehen, die der Beamte in den wirthschaftlichen 
Zweigen der Staatsverwaltung (Eisenbahn-, Bauwesen u. dgl.) sich zu Schulden kommen 
läßt, nach Maßgabe des Privatrechts!). — Für die Klage gegen den Staat oder den 
Beamten ist ausschließlich das Landgericht zuständig?). In Rheinhessen ist der Prozeß 
gegen den Beamten nur zulässig, nachdem das vorgesetzte Ministerium ihn gestattet, bezw. 
auf dessen Antrag der Verwaltungsgerichtshof die in § 24 genannte Vorentscheidung zu Un- 
gunsten des Beamten abgegeben hat; in Starkenburg und Oberhessen gilt diese Regel nicht ). 
Steht der Ersatzanspruch dem Staate zu, so kann er nur bei Nachweis der 
Zahlungsunfähigkeit des Schuldners oder im Gnadenwege mittels Entscheidung des 
Großherzogs niedergeschlagen werden; der Gnadenweg ist unzulässig bei außeretatsmäßigen 
Ausgaben, Etatsüberschreitungen, strafbaren Handlungen oder bei Defekten, die auf An- 
ordnung einer obersten Verwaltungsbehörde beruhen y. 
In gewissen Fällen kann der Staat seinen Ersatzanspruch im Verwaltungswege, 
ohne Prozeß, geltend machen. So nänlich?), wenn bei einem Beamten, der für den 
Staat oder für eine vom Staat beaufsichtigte Anstalt Gelder, Werthpapiere oder Mate- 
rialien verwahrt, ein Defekt (Rezeß) vorliegt, d. h. wenn er von diesen Sachen 
nicht soviel in Verwahrung hat, als er bei vollständiger Aufzeichnung der Einnahmen 
und nach Abzug der Ausgaben, zu denen er ermächtigt war, haben müßte. Der Defekt 
ist also (anders als nach den im Reich und in Preußen geltenden Regeln) dadurch nicht 
ausgeschlossen, daß die Kasse mit den Kassenbüchern stimmt, sofern die Bücher nämllich falsch 
geführt sind. Die Ersatzforderung geht zunächst gegen den mit der Verwahrung be- 
trauten Beamten, sofern bei ihm Arglist oder grobes Verschulden anzunehmen; ferner 
gegen alle anderen bei dem Defekt betheiligten Beamten, sofern ihre Betheiligung in 
Betrug, Unterschlagung oder Urkundenfälschung besteht; endlich gegen alle anderen Be- 
amten, die bei dem Defekt zwar nicht durch eines dieser drei Vergehen, aber doch grob 
fahrlässig betheiligt sind, jedoch gegen diese mit Beschränkung auf den Betrag, der in ihren 
Gewahrsam gekommen ist. Gegen Beamte, die sich nur einer geringen Fahrlässigkeit 
schuldig gemacht, oder gegen Privatpersonen kann natürlich auch ein Ersatzanspruch be- 
stehen. Dieser geht aber den Weg des gewöhnlichen Civilprozesses. — Die Ersatzforde- 
rung ist von der vorgesetzten Behörde durch einen mit Gründen versehenen Beschluß festzu- 
stellen. Der Beschluß ist sofort vollstreckbar; mit ihm können auch Sicherungsmaßregeln 
verbunden werden, z. B. Enthebung des Beamten vom Dienst, Siegelung seiner Bücher, 
im Nothfall Beschlagnahme seines Gehaltes und seines sonstigen Vermögens. Der Beamte 
kann gegen den Beschluß binnen einer einjährigen Nothfrist den Rechtsweg beschreiten ). 
§ 24. I. Disziplinäre Folgen?"). 1. Disziplinärstrafbar ist jeder festangestellte 
Staatsbeamte, welcher die Pflichten verletzt, die sein Amt ihm auferlegt oder welcher 
durch sein Verhalten in oder außer dem Amt sich der Achtung oder des Vertrauens, 
die sein Beruf erfordern, als unwürdig zeigt. Jede nähere Bezeichnung des Thatbestandes 
der Dienstvergehens ist also vermieden. Nur gegen Mitglieder des Verwaltungsgerichts- 
1) Reichsgericht, Entsch. in Civils., Bd. 11, S. 206; 17, S. 105. Vgl. Gierke, Genossen- 
schaftstheorie (1887) S. 743 ff. 
2) Ges. v. 3. Sept. 1878, Art. 20. 
3) Denn das Ges. v. 16. April 1879 stellt die Regel nur auf, soweit nach bisherigem Recht 
die Klagerhebung an die Erlaubniß der vorgesetzten Behörde gebunden war, und dies ist nur 
in Rheinhessen der Fall, denn Edikt v. 12. April 1820, Art. 23 bezieht sich nur auf den Straf- 
prozeß. Abw. Verw. Gerichtshof, Z. 17, S. 111. Siehe Arch. f. prakt. Rechtsw. 5, S. 309. 
4) Ges. v. 14. Juni 1879, Art. 10. 
5) Ges. v. 21. April 1880, Art. 41 ff. 6) Siehe auch unten § 44. 
7) Ges. v. 31. Mai 1879 für Richter, vom 11. Juni 1879 für Notare, v. 16. April 1879 
für die Mitgl. des Verwaltungsgerichtshofs, v. 21. April 1880 für die übrigen Beamten.
	        
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