Full text: Handbuch des Öffentlichen Rechts. Band III.1.4. Das Staatsrecht des Großherzogtums Hessen. (4)

§ 28. Versetzung. Dienstentlassung außerhalb des Disziplinarverfahrens. 53 
ihnen schlechthin zu, wenn sie ihr 70. Lebensjahr oder ihr 40. Dienstjahr zurückgelegt 
haben; vor Ablauf dieser Zeit gebührt ihnen dagegen der Ruhegehalt nur, wenn sie 
wegen dauernder Dienstunfähigkeit um Abschied nachsuchen, oder wenn ihnen der Abschied 
von der Regierung aus andern als disziplinären Gründen ertheilt wird. — Der mit 
Ruhegehalt verabschiedete Beamte steht übrigens noch immer zur Verfügung des Staats: 
er muß, seine Dienstfähigkeit vorausgesetzt, jederzeit ein neues seinen früheren Dienst- 
verhältnissen angemessenes Amt annehmen; wenn er trotzdem „ohne besondere Erlaubniß 
fremde Dienste annimmt oder auf andere Art sich in ein Verhältniß setzt, welches ihm 
die Erfüllung dieser Verbindlichkeit erschwert“, so verliert er seinen Ruhegehalt. — Der 
Ruhegehalt beträgt mindestens 40 % des pensionsfähigen Gehalts; für die Dienstzeit 
vom 6. bis 10. Jahr treten 2, vom 11. bis 30. Jahr 1 ⅛½, vom 31. bis 40. Jahr 
1 % auf jedes vollendete Dienstjahr hinzu; nach 50 Dienstjahren ist der Ruhegehalt 
dem vollen pensionsfähigen Gehalt gleich. Die Dienstzeit beginnt mit dem Tage des 
ersten Anstellungsdekrets im hessischen Staatsdienst; doch wird auch die im Dienste des 
Reichs oder eines andern Staats verbrachte Dienstzeit miteingerechnet; ob auch eine 
diätarische Beschäftigung oder eine Anstellung im Gemeinde-, Kirchen- oder Schuldienst 
oder 1) die Thätigkeit als Anwalt oder Notar angerechnet wird, bestimmt das Ministerium 
bei der Anstellung nach freiem Ermessen; die Militärdienstzeit wird der Civildienstzeit 
nur dann zugerechnet, wenn sie in einen Krieg fällt; besteht der Militärdienst in einer 
Verwendung vor dem Feinde, so wird der Civildienstzeit sogar ein volles Jahr zu- 
gerechnet. 
Auch widerruflich angestellten Beamten2) wird bei ihrem Dienstaustritt regelmäßig 
ein Ruhegehalt verliehen. Doch ist dies nur zulässig, wenn sie durch ihr Verhalten 
die Zufriedenheit ihrer Vorgesetzten erworben haben und ohne ihr Verschulden dienst- 
unfähig geworden sind. Dagegen bezieht ein festangestellter Beamter auch dann Pension, 
wenn er wenig brauchbar war und deßhalb die Unzufriedenheit seiner Vorgesetzten sich 
zugezogen hat, und zwar auch dann, wenn er gerade wegen dieser geringen Brauchbar- 
keit und trotz fortdauernder Dienstfähigkeit den Abschied bekommt; er muß es nur 
vermieden haben, den Abschied gerade im Disziplinarwege zu erhalten. Und auch der- 
jenige widerruflich angestellte Beamte, der die Zufriedenheit der Vorgesetzten erlangt hat, 
hat kein Recht auf die Pension, sondern die Verleihung hängt vom Ermessen der Re- 
gierung ab. Deßhalb ist auch die Höhe des Ruhegehalts im Gesetze nicht fest bestimmt, 
sondern wird von der Regierung nach Verhältniß der Würdigkeit und Bedürftigkeit des 
Beamten frei bemessen; doch darf sie nach 10 Dienstjahren höchstens 40% und für 
jedes weitere Dienstjahr höchstens 1 /2% des Gehalts betragen. Ist der Beamte 
noch fähig einen Theil seines Dienstes zu versehen oder ist anzunehmen, daß er wieder 
dienstfähig werden wird, so kann ihm auf seine Kosten ein Gehülfe bestellt werden; die 
Regierung bestimmt, wieviel der Beamte dem Gehilfen von seinem Gehalt abgeben muß. 
Wird der Beamte ohne Ruhegehalt entlassen, so kann er wenigstens eine einmalige 
Unterstützung bis zur Höhe eines Viertels seines Jahresgehalts bekommen. 
Aehnlich werden festangestellte nichtrichterliche Beamte in den ersten fünf Jahren 
nach ihrer Anstellung behandelt. Nur kann ihnen ein Ruhegehalt auch dann bewilligt 
werden, wenn sie ihr Amt nicht wegen Dienstunfähigkeit, sondern wegen einer Organi- 
sationsveränderung verlieren 3). 
1) Ges. v. 18. Juli 1891. 
2) Ges. v. 10. Mai 1875. Vorher Ges. v. 14. Dez. 1830. 
3) Ges. v. 27. Nov. 1874, Art. 1.
	        
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