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und zulässig, nicht auch ob sie zweckmäßig gewesen ist. Regelmäßig soll, solange der
Rekurs schwebt, die Ausführung der Zwangsmaßregel unterbleiben; anders nur dann,
wenn nach dem Ermessen des Kreisraths oder Bürgermeisters die Verzögerung des
Zwangsverfahrens dem Gemeinwesen nachtheilig sein würde. Als Rekursinstanz gegen-
über Zwangsmaßregeln des Kreisraths dient der Provinzialausschuß in erster, das
Ministerium des Innern und der Justiz in zweiter Instanz. Gegenüber Maßregeln
des Bürgermeisters ist als Rekursinstanz der Kreisausschuß bezeichnet; als zweite und
dritte Instanz werden — obschon das Gesetz dies nicht sagt — Provinzialausschuß und
Ministerium zuständig sein ½).
c) Das Gericht hat die Gültigkeit der Zwangsverfügung nicht zu prüfen, auch wenn
es mit der Festsetzung einer durch die Verfügung angedrohten Strafe befaßt wird. Viel-
mehr wird die Gültigkeitsfrage in dem Rekursverfahren zu b) endgültig erledigt.
24) Die Kosten des Zwangsverfahrens setzt der Kreisrath bezw. Bürgermeister fest.
Hierwider binnen 10 Tagen Rekurs an den Provinzial= bezw. Kreisausschuß als letzte
Instanz. Beitreibung der Kosten im Verwaltungszwangverfahren zu 1.
3. a) Kreisrath und Provinzialdirektor haben die Befugniß, diejenigen, welche die
Ordnung einer in ihrer Gegenwart stattfindenden Handlung stören, mit Geldstrafe bis
zu 36 Mk. und Haftstrafe bis zu 24 Stunden zu belegen. Sie können ferner gegen
Personen, welche in schriftlichen Eingaben an die Kreis= oder Provinzialorgane durch
Ausfälle gegen Behörden oder Privatpersonen den Anstand verletzen, Ordnungsstrafen
bis zu 9 Mk. verhängen 2). Ein ähnliches Ordnungsstrafrecht hat der Präsident des
Verwaltungsgerichtshofs ).
b) Anderen Behörden fehlt diese Befugniß. Sie können also Personen, die sich
ungebührlich betragen, nur ausweisen und Eingaben unanständiger Art ohne sachlichen
Bescheid zurückgeben.
4. Die vorstehend dargestellten Regeln erschöpfen die Zwangsbefugnisse der Be-
hörden nicht. Vielmehr hat jede Behörde, welche überhaupt zur zwangsweisen Durch-
führung ihrer Anordnungen befugt ist. — und diese Befugniß steht jeder Exekutivbehörde
zu —, das Recht, im Nothfalle ihre Anordnungen auch durch Anwendung unmittelbaren
persönlichen Zwanges durchzusetzen"!). So kann jeder Forstbeamte dem im Forst er-
tappten Wilddiebe das gestohlene Wild gewaltsam abnehmen, jeder ländliche Bürger-
meister kann einen gemeingefährlichen Geisteskranken verhaften u. s. f.
§ 34. Fortsetzung. Die Zwangsenteignung 5). Eine besondere Art des Verwaltungs-
zwangsverfahrens ist die Zwangsenteignung.
1. Das Grundeigenthum — und ebenso ein Recht an fremdem Grund und Boden
— kann dem Berechtigten nur dann entzogen oder beschränkt werden, wenn es für ein
dem öffentlichen Nutzen dienendes Unternehmen nöthig ist. Ist diese Voraussetzung
erfüllt, worüber die unten zu nennenden Behörden im Laufe des Enteignungsverfahrens
entscheiden, so haben der Staat und die Gemeindeverbände das Enteignungsrecht
ohne Weiteres; andern Unternehmern muß dagegen das Recht erst besonders ver-
liehen werden, und zwar dem Reiche, andern deutschen Staaten und privaten Eisenbahn-
unternehmern durch großherzogliche Verordnung, den übrigen Unternehmern durch Gesetz.
1) Nach Analogie von KO. 48, III, Nr. 4, und 67, Abs. 2.
2) KO., Art. 81, 117. 3) Ges. v. 11. Jan. 1875, Art. 15.
4) Dies erkennt z. B. für ländliche Bürgermeister an Entsch. d. Verw.G., Z. 5, S. 50.
5) Ges. vom 26. Juli 1884. Dazu Kommentar von Arnold. Das vor diesem Gesetz in
Geltung gewesene Gesetz vom 27. Mai 1821 ist um deßhalb wichtig, weil es das erste umfassende
Enteignungsgesetz in Deutschland gewesen ist.