60 Dritter Abschnitt: Gesetz, Verordnung, Verwaltungszwangsverfahren. 834.
Zu bloßen Vorarbeiten für die Enteignung kann die Erlaubniß vom Provinzialausschuß
ertheilt werden (Art. 1—4).
2. Dem Enteigneten ist voller Schadensersatz zu gewähren. Unberücksichtigt bleibt
jedoch der Affektionswerth, die Wertherhöhung, welche dem Grundstücke durch das
neue Unternehmen erwächst, Aenderungen, die der Enteignete erst nach Offenlegung
des Enteignungsplans vorgenommen hat (Art. 5—9).
Auf den Schadensersatz haben nicht bloß die Eigenthümer, sondern auch solche
Personen Anspruch, die an dem Grundstück ein dingliches oder persönliches Recht haben,
z. B. Nießbraucher, Pächter; doch wird der ihnen erwachsende besondere Schaden nicht
vergütet, wenn sie ihr Recht erst nach Offenlegung des Planes erworben haben (Art. 9—14).
Bedarf der Unternehmer nur einen Theil des Grundstücks, so kann der Enteignete trotz-
dem Uebernahme des ganzen Grundstücks fordern, wenn es sich um ein Gebäude handelt
oder wenn das Reststück nach seiner bisherigen Bestimmung nicht mehr zweckmäßig be-
nützt werden kann. Bedarf der Unternehmer nicht das Eigenthum des Grundstücks,
sondern nur eine Beschränkung der Rechte des gegenwärtigen Eigenthümers, so kann
letzterer trotzdem Uebernahme des Eigenthums und dementsprechend eine erhöhte Entschä-
digung verlangen, wenn die Beschränkung länger als drei Jahre währt oder den Werth
des Grundstücks dauernd vermindert (Art. 16—18). Die Entschädigung ist baar zu
zahlen; nur wenn das Grundstück durch Hypotheken, fideikommissarische Rechte u. dgl.
belastet ist oder wenn die verschiedenen Entschädigungsberechtigten sich über ihre Antheile
nicht einigen, ist die Entschädigungssumme zu hinterlegen. Die Summe tritt hinsichtlich
der Hypotheken und sonstigen Rechte am Grundstücke durchaus an Stelle des letzteren
(Art. 5, 20, 56, 57). Der Unternehmer muß außerdem alle Anlagen, die im öffent-
lichen Interesse oder für die benachbarten Grundstücke zur Sicherung gegen Nachtheile
nöthig sind, errichten und unterhalten (Art. 14).
3. Zunächst soll der Unternehmer sich mit den zu Enteignenden gütlich zu einigen
suchen. Erst wenn der Versuch fehlgeschlagen, tritt das eigentliche Enteignungsverfahren
ein (Art. 21). Der Unternehmer reicht einen genauen Enteignungsplan, in dem auch
die von ihm angebotenen Entschädigungen bezeichnet sind, beim Kreisrath ein; Offen-
legung des Plans durch 14 Tage; mündliche Vorverhandlung an Ort und Stelle vor
einer Lokalkommission, bestehend aus dem Kreisrath als Vorsitzendem, einem vom Kreis-
rath bezeichneten Sachverständigen, einem der Bürgermeister der betheiligten Gemeinden,
endlich aus zwei Ortsvorstandsmitgliedern dieser Gemeinden, von denen das eine durch
den Unternehmer, das andere mittels Mehrheitsbeschlusses durch die betheiligten Eigen-
thümer bezeichnet wird; außerdem sind noch drei Sachverständige von der Lokalkommission
zuzuziehen und schließlich von der Lokalkommission selbst ein Gutachten abzugeben
(Art. 22ff.) Hierauf Feststellung des Enteignungsplans einschließlich der Entschädigungs-
summe durch den Provinzialausschuß in den Formen des Verwaltungsstreitverfahrens. Gegen
diese Feststellung, — jedoch mit Ausschluß der Entschädigungsfrage — ist binnen 14 Tagen
der Rekurs an das Ministerium des Innern und der Justiz zulässig. Wegen der Ent-
schädigungsfrage kann dagegen binnen 6 Monaten der Rechtsweg beschritten werden; be-
züglich solcher Nachtheile, welche erst nach dem von der Lokalkommission abgehaltenen
Enteignungstermin hervortreten, bleibt der Rechtsweg drei Jahr nach Ausführung der
Anlage offen (Art. 41 ff.) Schließlich spricht der Provinzialausschuß, nachdem seine
Entscheidung bezüglich der Enteignung rechtskräftig geworden und die von ihm fest-
gestellte Entschädigungssumme bezahlt oder hinterlegt ist, auf Antrag des Unternehmers
den Uebergang des Eigenthums auf ihn und seine Einweisung in den Besitz aus; die
gerichtliche Entscheidung über die Höhe der Entschädigung braucht also nicht abgewartet