Full text: Handbuch des Öffentlichen Rechts. Band III.1.4. Das Staatsrecht des Großherzogtums Hessen. (4)

88 38 u 39. Geschichtlicher Ueberblick. Die Finanzbehörden. 63 
Die große Schuldenlast, mit der Hessen in seine konstitutionelle Periode eintrat, ist all- 
mählich, namentlich auf Grund des Gesetzes vom 16. Juni 1827, getilgt worden; das Gleiche geschah 
mit den später aufgenommenen Eisenbahnschulden, sowie mit den Kriegsschulden von 1866 und 
1870. So war Hessen in den siebziger Jahren nur mit einer geringen Staatsschuld belastet. Erst 
seit dem Ankauf der oberhessischen Eisenbahn hat sich die Staatsschuld wieder vermehrt; es handelt 
sich aber dabei durchweg um Schulden, die behufs produktiver Anlagen (Eisenbahnen, Brücken, zu 
Gunsten der Landeskreditkasse u. dgl.) aufgenommen sind. — Für die älteren jetzt längst abgezahlten 
Anleihen galten zum Theil andere Bedingungen, als wie sie jetzt üblich find. So wurden z. B. nach 
Wahl des Gläubigers statt der Inhaber= auch Namenspapiere ausgestellt, dem Gläubiger wurde 
nach blauf einer bestimmten Frist ein Kündigungsrecht eingeräumt u. s. f. Siehe etwa Ges. v. 
. Mai 1848. 
II. Kapitel. 
Staatseinnahmen. 
e# 38. a. Geschichtlicher Ueberblick. Hessen trat in die konstitutionelle Zeit mit einem sehr 
verworrenen System der Staatseinnahmen. Die Grundlage bot der Ertrag von Domänen und 
Forsten. An direkten 1) Steuern war nur die Grund= und Gewerbesteuer vorhanden, und auch diese 
war in den einzelnen Gebietstheilen sehr ungleich. Dazu kamen Zölle (unter denen sich auch Binnen- 
zölle befanden) und Verbrauchssteuern (auf Wein, Obstwein, Bier, Brantwein, Zucker, Tabak, 
Schlachtvieh), eine Erbschaftssteuer, eine Hundesteuer, gewisse Stempel und Gebühren, das Chaussee- 
geld, ferner die Regalien, namentlich Salzregie und Post, endlich mittelalterliche Ueberreste, wie die 
Judenabgabe, der Abschoß. Daneben bestand in Rheinhessen noch die französische Thür= und 
Fenster., sowie die Personalsteuer. Erst sehr allmählich ist von diesem Zustande der Uebergang 
zum heutigen Recht gewonnen. 1. Von den direkten Steuern wurde zunächst die Grund= und Ge- 
werbesteuer gleichmäßig für das ganze Land gestaltet (1824, 1827). Neu eingeführt wurde die 
Einkommensteuer. Zunächst in Form der Personalsteuer mit neun Steuerklassen, roh lediglich nach 
der Wohnungsmiethe abgeschätzt (1827); erst 40 Jahre später wurde die Steuer auf eine Einschätzung 
des wirklichen Einkommens gegründet, zuerst für Einkommen über 800 Fl. (1868), dann für alle 
Einkommen (1869). Schließlich wurde eine dreifache Neuerung durchgeführt (1884): die Steuer- 
befreiung von Einkommen unter 500 Mk., die progressive Besteuerung der größeren Einkommen, 
endlich die Doppelbesteuerung alles fundirten Einkommens. Diese Doppelbesteuerung war schon längst 
für das Einkommen aus Grundstücken und aus dem Gewerbebetriebe eingeführt ?); jetzt wurde sie 
auch auf das Einkommen aus beweglichem nicht in eigenem Gewerbebetriebe festgelegtem Kapital 
ausgedehnt, in der Form der Kapitalrentensteuer. 2) Die besonderen hessischen Zölle wurden durch 
den Eintritt Hessens in den preußischen Zollverein aufgehoben (1828), nachdem die Binnenzölle 
schon vorher (1824) beseitigt waren. 3. Was die Verbrauchssteuern betrifft, so trat Hessen 1842 
wegen der Zuckersteuer in die Steuergemeinschaft des preußischen Zollvereins; die Steuern auf Bier, 
Brantwein, Tabak wurden erst nach Gründung des norddeutschen Bundes zu dessen Gunsten auf- 
gegeben, die Schlachtsteuer 1831 ganz aufgehoben. So hielt sich als einzige hessische Verbrauchs- 
steuer nur die Weinsteuer, bis auch sie 1891 gefallen ist. 4. Die Erbschaftssteuer wurde mehrfach 
abgeändert, z. B. der gesetzliche Erbtheil der Ehegatten 1824 für steuerfrei erklärt. Eine gründliche 
Umgestaltung mit verschiedenen Steuerstufen für die verschiedenen Verwandtschaftsgrade (statt des 
bisherigen gleichmäßigen Satzes von 5%) erst 1884. 5. Die Stempel und Gebühren sind durch 
die Stempel= und Gebührengesetze des Reichs wesentlich verändert; auch sonst ist ihr Tarif mehrfach 
umgearbeitet. 6. Das Chausseegeld auf den Staatsstraßen ist seit 1865 abgeschafft. 7. Die Regalien 
haben an Wichtigkeit sehr verloren. Das Postregal ist 1866 an Preußen abgetreten, die Salzregie 
1867 ganz aufgehoben, ebenso 1870 die Regalitätsabgabe von Braunkohle und Eisenstein. 8. Die 
Judenabgabe ist 1824, der Abschoß 1836 aufgehoben. 9. Die übrigen Einnahmen haben sich wenig 
geändert. Neu hinzugekommen ist 1853 die unbedeutende Nachtigallensteuer. 
§ 39. b. Die Behörden. Die Oberleitung steht bei dem Finanzministerium und 
dessen Abtheilungen, namentlich der für das Steuerwesen und für die Forst= und Kameral= 
1) „Direkt“ bezw. „indirekt“ ist hier im Sinne der hessischen Steuergesetze genommen. 
2) Obschon, wie unten zu erwähnen, die Grund= und Gewerbesteuer nicht nach dem „Ein- 
kommen“ aus Grundbesitz und Gewerbebetrieb veranlagt werden, ist doch nicht abzuleugnen, daß 
sie dies Einkommen belasten.
	        
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