8 40. Die vier direkten Steuern. 69
4. Die Einordnung der einzelnen Gewerbebetriebe in die sieben Gewerbsklassen
und die Berechnung der Zuschläge zu den Normalsteuerkapitalien geschieht gemeindeweise
durch eine Kommission, welcher der Steuerkommissär als Vorsitzender und drei von der
Gemeindevertretung gewählte Gemeindemitglieder angehören. Gegen deren Beschlüsse hat
der Steuerkommissär und der Steuerpflichtige die Reklamation an die Ministerialabthei—
lung für Steuerwesen und weiteren Rekurs an das Finanzministerium; in den Fällen,
wo eine billige Ermäßigung des Steuerkapitals in Frage ist (oben Nr. 3 zu Ende), geht
die Reklamation an die Einschätzungskommission für die Einkommensteuer erster Abthei—
lung und der Rekurs an die Landeskommission.
5. Um die Veranlagung zur Gewerbesteuer zu erleichtern, ist jedem Gewer-
betreibenden — mit gewissen Ausnahmen — die Pflicht auferlegt, vor Beginn seines
Betriebes ein „Patent“ zu lösen. Versäumt er dies, so verfällt er in eine Strafe des
Doppelten seiner Gewerbesteuer.
6. Für nicht hessische Gewerbetreibende, die in Hessen keine feste gewerbliche
Niederlage haben, wird je nach der Gewerbsklasse, der sie angehören, der Steuersatz unmittel-
bar — ohne Berechnung eines Steuerkapitals — festgesetzt. Ausländische Gewerbtreibende,
die lediglich die hessischen Märkte besuchen, sind steuerfrei; ebenso laut besonderer Ver-
einbarung Handlungsreisende aus dem Zollvereinsgebiet und Oesterreich 1). Wanderlager
steuern an jedem Orte, an dem sie ihren Betrieb eröffnen, für jede Woche 20— 40 Mark,
wovon ½⅛ an die Gemeindekasse des Orts füllt.
IV. Grundsteuer). 1. Sie trifft die in Hessen belegenen Grundstücke, Ge-
bäude und nutzbaren Gerechtsame an Grund und Boden.
2. Befreit sind die Schlösser des Großherzogs nebst Zubehör — regelmäßig die
öffentlichen Gebäude des Reichs 3), des Staats und der Gemeinden — die Verkehrswege
(Straßen, Flüsse u. s. w.) — unbewohnbare Gebäude und nackte Felsen — landwirth-
schaftliche nicht als Wohnung benutzte Gebäude (Art. 2).
3. Das Grundsteuerkapital wird — ohne Rücksicht auf die persönlichen Verhält-
hältnisse des Besitzers und auf seine etwaigen Hypothekenschulden — nach dem Flächen-
raum des Grundstücks und seiner Ertragsfähigkeit berechnet. Letztere wird jedoch lediglich
nach Durchschnittssätzen festgestellt, welche auf Grund einer Abschätzung von „Normal=
grundstücken“ um das Jahr 1824 gewonnen worden sind"); bei Gebäuden werden die
Baukosten und der durchschnittliche Verkaufswerth eines Grundstücks ähnlicher Lage er-
mittelt, davon gewisse Abzüge für Abnutzung u. dgl. gemacht, und von dem so ermit-
telten Betrage der Satz von 1,8 % als Steuerkapital berechnet 5). Eine regelmäßige
Neueinschätzung findet nicht statt. Nur wenn Gebäude ab= oder zugehen, wenn ein
vorhandenes Gebäude durch bauliche Aenderungen im Werthe erheblich erhöht wird 5),
oder wenn bei Grundstücken eine Kulturveränderung eintritt, ist eine Neueinschätzung
erforderlich. Sie wird durch den Steuerkommissär unter Zuziehung des Bürger-
meisters und Sachverständiger vorgenommen; Rekurs an die Ministerialabtheilung für
Steuerwesen.
1) Bek. vom 5. Jan. 1864, 22. Dezemb. 1865, 25. Okt. 1867.
2) Ges. betr. die Vollendung des Immobiliarkatasters vom 13. April 1824.
3) Reichsges. v. 25. Mai 1873, § 1.
4) Für die Gebäude sind diese Durchschnittssätze durch Ges. vom 27. Novemb. 1860, für
Wälder durch Ges. vom 26. Sept. 1864 abgeändert.
5) Durchschnittlich mag das Steuerkapital /8—¼ des wirklichen Reinertrages ausmachen.
Der Steuersatz betrug 1891/92 14% des Steuerkapitals, also etwa 3% des Reinertrages. — Siehe
Verh. der II. Kammer des 24. Landtags, Beilage, Bd. 1, Nr. 57.
6) Ges. v. 7. Okt. 1867. Siehe Ges. v. 8. Dez. 1852.