70 Vierter Abschnitt: Das Finanzwesen. 2. Staatseinnahmen. *§ 41.
§ 41. Die indirekten Auflagen. I. Erbschaftssteuert). 1. Sie gilt für
Erbschaften, Vermächtnisse und sonstigen Erwerb, welcher in Folge des Todes einer
Person eintritt, z. B. den Erwerb aus einer vom Verstorbenen auf den Todesfall ge-
nommenen Lebensversicherung. Ferner für Schenkungen, deren Vollzug bis zum Ableben
des Schenkers aufgeschoben ist.
2. Sie betrifft
a) unbewegliches Vermögen nur dann, wenn es in Hessen belegen ist, ohne Rück-
sicht auf die Staatszugehörigkeit der Betheiligten;
b) bewegliches Vermögen, wenn der Erblasser ein Hesse ist, mag sich auch das
Vermögen außerhalb Hessens befinden; doch wird in letzterem Falle die etwa im Aus-
lande bezahlte Erbschaftssteuer auf die hessische angerechnet;
c) bewegliches Vermögen, wenn zwar nicht der Erblasser, aber doch der Erbe ein
Hesse ist; doch wird hier die etwa im Auslande bezahlte Erbschaftssteuer selbst dann
angerechnet, wenn das Vermögen sich in Hessen befindet;
d) bewegliches Vermögen, wenn weder der Erblasser noch der Erbe Hesse ist, nur
unter der doppelten Voraussetzung, daß das Vermögen sich in Hessen befindet?)), und
daß der Heimathsstaat des Erwerbers im entsprechenden Fall den Nachlaß eines Hessen
in gleicher Art besteuern würde.
3. Frei bleibt
a) ein Erwerb bis 100 Mark;
b) Anfälle an Descendenten 3) — an Asecendenten, jedoch nur bis zum Betrage
ihrer Intestatportion — an Geschwister, wenn der Erblasser noch nicht aus der Familie
des überlebenden Elterntheils ausgetreten war, soweit der Anfall in einer Quote des
Nachlasses des verstorbenen Elterntheils besteht — an Ehegatten — an Dienstboten
u. dgl. bis 1000 Mark;
Jc) Anfälle an Großherzog, Staat oder Reich;
d) Vermächtnisse oder Stiftungen, die zu mildthätigen Zwecken innerhalb des
Reichs Verwendung finden.
4. Die Steuer beträgt") 4 % , wenn der Anfall an Eltern, oder vollbürtige Ge-
schwister gelangt; 5 %, wenn er an weitere Ascendenten, halbbürtige Geschwister,
Adoptivkinder und deren Nachkommen oder an Geschwisterkinder fällt; 6%, wenn er
an Stiefkinder und deren Nachkommen, Schwiegerkinder, Stief-, Schwieger= und Adoptiv-
eltern, Oheime und Tanten, Großneffen und Großnichten kommt; 8 % in allen anderen
Jällen. Diese Steuersätze sind zum Theil höher wie die preußischen, namentlich der Satz
von 4 und 5% für Geschwister (in Preußen nur 2%), und der Satz von 6 % für
Onkel, Großneffe u. s. f. (in Preußen nur 4%).
5. Die Steuer wird von dem Werthe berechnet, welchen das Vermögen zur Zeit
des Todes des Erblassers hatte; außer den gewöhnlichen Nachlaßschulden gehen die Kosten
des Begräbnisses und der Nachlaßregulirung sowie der im Interesse des Nachlasses
geführten Prozesse ab, nicht dagegen die Erbschaftssteuer selbst. Besteht der Erwerb in
einer Rente oder in Nutzungen eines Kapitals oder Grundstücks, z. B. beim Familien-
sideikommiß, so ist der Werth nach gewissen Regeln zu kapitalisiren; geschieht der Erwerb
1) Ges. vom 30. August 1884 und Instr. v. 28. März 1885. Dazu ein Kommentar von
Krug (1885) und eine Einleitung von Pfaff in der 3Z., Bd. 10, Beilage.
2) Ueber Inhaberpapiere Entsch. d. Verw.G.'#s, Z. 14, S. 107.
3) Bei Familienfideikommissen hängt die Befreiung von der Steuer sowie die Höhe des
Steuerprozentsatzes von der Nähe der Verwandtschaft des Erwerbers mit dem letzten Befitzer (nicht
mit dem Fideikommißstifter) ab.
4) Vgl. vorige Anmerkung.