74 Vierter Abschnitt: Das Finanzwesen. 3. Budgetrecht. 8 48.
als dies der Voranschlag vorsieht, nun auch die Ausgaben desselben Verwaltungszweiges
über den Voranschlag erhöhen, es sei denn, daß die Mehrausgabe nöthig ist, um eine
unvorhergesehene Mehreinnahme überhaupt zu ermöglichen. Endlich darf sie Gelder, die
für eine bestimmte Ausgabe bewilligt, aber nicht verbraucht sind, nicht etwa in der
nächstfolgenden Finanzperiode verwenden; nur Ausgaben für Bauzwecke, alle einmaligen
Ausgaben, endlich solche Ausgaben, die nach Art, Zeit oder Größe unbestimmt gelassen
sind, werden von einer Finanzperiode auf die nächstfolgende übertragen #.
Im Uebrigen ist natürlich die Art, wie die Regierung durch die einzelnen Posten
des Voranschlags gebunden ist, sehr verschieden. Manche Posten (z. B. die Erwähnung
der Matrikularbeiträge unter den Ausgaben) haben nur die Bedeutung einer unmaß-
geblichen Schätzung, sind also schlechterdings unverbindlich. Andere Posten binden die
Regierung nur nach einer Seite, sodaß sie z. B. bei den meisten Ausgaben den be-
willigten Betrag nicht überschreiten, wohl aber darunter bleiben darf. Andere Posten
endlich, z. B. gewisse Gehaltsfestsetzungen binden die Regierung schlechthin. Hiernach
gelten denn auch, wenn die Regierung von dem Hauptvoranschlage abweicht, sehr ver-
schiedene Regeln. Der wichtigste Fall ist natürlich der, daß die Regierung Ausgaben
gemacht hat, die ihr garnicht oder in geringerem Betrage bewilligt waren. Hier muß
sie ihr Verhalten ähnlich rechtfertigen, wie eine negotiorum gestio. Sie ist also frei,
wenn sie nach pflichtmäßigem Ermessen die Ausgabe für derart nützlich halten mußte,
daß sie die nachträgliche Bewilligung der Stände erwarten konnte. Mithin schadet es
einerseits der Regierung nichts, wenn sie sich ohne Verschulden in dieser Erwartung
irrte; z. B. eine nicht etatsmäßige Anlage wird durch einen Zufall zerstört und ist also
im Ergebniß nutzlos. Andererseits hilft es der Regierung nichts, wenn ihre außeretats-
mäßigen Ausgaben objektiv nützlich sind, sofern nur die Stände diesen Nutzen nicht
anerkennen, und die Regierung dies nach dem früheren Verhalten der Stände voraus-
sehen konnte. Ja, daß die Regierung eine außeretatsmäßige Ausgabe für schlechthin
nothwendig hält, berechtigt sie zur Etatsüberschreitung nicht, sofern seitens der Stände
ein Widerspruch zu erwarten ist. Denn die Regierung hat dadurch, daß sie dem von
den Ständen genehmigten Voranschlage zugestimmt hat, für den Lauf der Finanzperiode
die Meinung der Stände als bindend anerkannt.
3. Ganz anders ist die Rechtslage, wenn ein Finanzgesetz nicht zu Stande kommt.
Dabei ist scharf zwischen Einnahmen und Ausgaben zu scheiden. Denn — abveichend
von dem Finanzrecht des Reiches und Preußens, jedoch übereinstimmend mit dem Finanz-
recht Bayerns — hängen nur die Einnahmen, nicht auch die Ausgaben von der Be-
willigung der Stände ab.
a) Sofern das Finanzgesetz nicht vor Beginn einer neuen Finanzperiode zu Stande
kommt, ist die Regierung nur für die ersten sechs Monate der neuen Periode befugt,
die im vorhergehenden Finanzgesetz bewilligten Abgaben weiter zu erheben; diese sechs
Monate werden dann später in die neue Periode eingerechnet (Verf. Art. 69). Nach
Ablauf dieser sechs Monate fallen dagegen die direkten sowohl wie die indirekten Steuern
fort. Die Regierung kann ihre Forterhebung auch nicht durch Nothverordnung an-
befehlen:). Denn dem Art. 73 der Verfassung, welcher der Regierung das Recht zu
Nothverordnungen ganz im Allgemeinen gibt, geht die Sonderregel des Art. 67, welche
der Regierung das Recht zur Forterhebung nicht bewilligter Steuern nur auf sechs
Monate gibt, zweifellos vor. Wohl aber kann die Regierung mittels Sondergesetzes sich
1) Ges. v. 14. Juni 1879 die Verwaltung der Einnahmen und Ausgaben des Staats betr.
2) Das Ministerium Dalwigk hat es 1850 trotzdem gethan. Vgl. unten S. 77.