Full text: Volkstümliches aus dem Königreich Sachsen auf der Thomasschule gesammelt. Erstes Heft. (1)

Spinnstube. 91 
wenn die Abende kurz werden, machte man „Scheidabend“. 
Da schied man sich und hörte auf täglich zu spinnen. Für 
diesen Abend waren ein paar Tragkörbe voll Backware ge— 
kauft worden, wozu die Spinnmädchen unter sich gesammelt 
hatten. Freilich, wenn die Burschen kamen, wurde auch 
ihnen ihr Teil abverlangt. Es gab auch Kaffee und Grog, 
und es wurden Spiele in der Bauernstube gemacht. Nach 
dem Scheidabend spann man nur noch einmal in der Woche, 
ebenfalls abwechselnd bei verschiedenen Bauern, und zwar 
nur am Nachmittage. Auch dann gab es Backobst oder 
Kohlrüben. Abends aber mußte der Bauer, bei dem ge— 
sponnen wurde, Abendessen vorsetzen. Was man an Obst 
nicht gegessen hatte, steckte man in die Tasche. 
2. Spinnstubenunterhaltung. 
Guten Tag, Mamsell! — Schön' Dank, Mosjö! 
Wo gewesen, Mamsell? — In der Küche, Mosjö! 
Was da gemacht? — Kaffee gekocht. 
Was hat se denn in ihrem Körbchen? — Rosmarin 
und Nelkenkraut. 
Ich dächte, se wär gar enne Braut! — Ja, bin's auch. 
Wer ist denn ihr Bräutigam? — Der Ringmacher aus 
der Stadt, der macht alle Tage für 100 Thaler. 
3. Lieder. 
1. 'S is e Mädel in unserm Dorf, 
Die is e bissel reich, 
Und wenn se mal heiraten thut, 
400 kriegt se gleich. 
Da geht der Alte im Dorf herum 
Und biet' se oͤch noch aus. 
E Mdel, die 400 kreit, 
Die zieht in ke klen Haus.
	        
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