Full text: Die Verfassung des Deutschen Reichs mit Erläuterungen.

II. Reichsgesetzgebung. Art. 4. 141 
h) Art. 3 im Berhältnis zu den unter a—g genannten Materien. 
Der Satz „soweit diese Gegenstände nicht schon durch den Art. 3 dieser 
Verfassung erledigt find“, ist nicht dahin zu verstehen, daß die weitere 
reichsgesetzliche Regelung ausgeschlossen ist, weil Art. 3 über die Materien 
schon einige Bestimmungen enthält. Art. 3 bestimmt nur, daß gerade auf 
diesen Gebieten das gemeinsame Indigenat, der Grundsatz der Gleich- 
berechtigung der Angehörigen verschiedener Bundesstaaten, vorzugsweise zur 
Geltung kommt, und bei einer weitergehenden reichsgesetzlichen Regelung muß 
der Grundsatz des Art. 3 gewahrt bleiben; vgl. die Erklärung des Bundes- 
kommissars v. Savigny in der Sitzung des konst. Reichstags v. 19. März 
1867 St. B. 250. 
i) Kolonisation. 
Gemeint ist nur die äußere, nicht die innere Kolonisation. Bezüglich 
der Kolonisation im Auslande ist die Kompetenz des Reichs nach keiner 
Richtung beschränkt; vgl. die Erklärung des Bundeskommissars v. Savigny 
in der Sitzung des konst. Reichstags v. 20. März 1867 St.B. 271f. 
Das Reich hat auf Grund der ihm durch das Wort „Kolonisation“ 
im Art. 4 Ziff. 1 zugewiesenen Kompetenz eine Reihe von Kolonien erworben 
und die Rechtsverhältnisse der Schutzgebiete durch das Gesetz v. 17. April 
1886 R.G. Bl. S. 75 geregelt. Dieses Gesetz wurde mehrfach ergänzt und 
schließlich u. d. 10. Sept. 1900 als „Schutzgebietsgesetz“ im R.G. Bl. S. 818 
neu bekannt gemacht. Danach übt die Schutzgewalt in den deutschen 
Schutzgebieten der Kaiser im Namen des Reichs aus (S. 1). Im übrigen 
enthält das Gesetz Bestimmungen über die Gerichtsverfassung, das Gerichts- 
verfahren und die Rechtsordnung (88 2—8), über die Führung der Reichs- 
flagge durch Eingeborene (8 10) und über die Organisation und Rechts- 
fähigkeit der deutschen Kolonialgesellschaften (8§ 11V— 13). Nach § 9 kann 
Ausländern, die sich in den Schutzgebieten niederlassen, sowie Eingeborenen 
durch Naturalisation die Reichsangehörigkeit von dem Reichskanzler verliehen 
werden. Der Reichskanzler ist ermächtigt, die Befugnis einem anderen 
kaiserlichen Beamten zu übertragen. Dies ist der einzige Fall, in welchem 
die Reichsangehörigkeit unmittelbar, d. h. ohne Vermittelung der Staats- 
angehörigkeit eines Bundesstaats oder des Reichslandes Elsaß-Lothringen 
erworben werden kann. Nach 8 14 wird Angehörigen der im Deutschen 
Reiche anerkannten. Religionsgemeinschaften in den Schutzgebieten Gewissens- 
freiheit und religiöse Duldung gewährleistet. Die freie und öffentliche 
Ausübung dieser Kulte, das Recht der Erbauung gottesdienstlicher Gebäude 
und der Einrichtung von Missionen der bezeichneten Religionsgemeinschaften 
unterliegen keinerlei gesetzlicher Beschränkung und Hinderung. Nach § 15 
hat der Reichskanzler ein umfangreiches Verordnungsrecht und kann diese 
Befugnis zum Teil auf die mit einem Kaiserlichen Schutzbriefe für das 
betreffende Schutzgebiet versehene Kolonialgesellschaft sowie auf die Beamten 
des Schutzgebietes übertragen. 
Noch zu erwähnen ist unter dem Titel „Kolonisation“ von wichtigeren 
Reichsgesetzen das Gesetz über die Bildung deutscher Kommunalverbände 
in den Konsulargerichtsbezirken v. 3. Juni 1905 R. G. Bl. S. 547, das 
Gesetz v. 2. Febr. 1889 betr. Bekämpfung des Sklavenhandels und Schutz 
der deutschen Interessen in Ostafrika R.G. Bl. S. 3 und 10 sowie das
	        
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