Full text: Die Verfassung des Deutschen Reichs mit Erläuterungen.

204 III. Bundesrat. Art. 6. 
nicht mehr zutraf, denn Bayern erhielt sechs Stimmen im Bundesrat, 
während ihm im ehemaligen Deutschen Bunde nur vier zukamen. Die 
Erklärung des Fürsten Bismarck ist aber auch jetzt noch von Bedeutung, 
weil aus ihr hervorgeht, daß wie wohl im übrigen mit der Verfaffung des 
alten Deutschen Bundes gebrochen werden sollte, der als eine auf völker— 
rechtlicher Grundlage beruhende Vereinigung einen anderen Charakter hatte 
als das neue Deutsche Reich, man doch Gewicht darauf legte, die Stimmen- 
verteilung nicht nur aus dem alten Bunde tatsächlich zu übernehmen, son- 
dern auch diesen ihren historischen Ursprung in der Verfassung besonders 
hervorzuheben, um klar zum Ausdruck zu bringen, daß in dem Bundesrat, 
der dasjenige Organ des Reichs ist, in welchem der föderative Charakter 
des Reichs zum Ausdruck kommt, nicht die politische Macht entscheidet, sondern 
in erster Reihe das historische Recht. Es ist zufällig und bedeutungslos, 
daß die entsprechenden Worte sich jetzt in der Reichsverfassung nicht mehr 
finden; sie mußten fortgelassen werden, weil man zu Gunsten Bayerns eine 
Ausnahme von der ehemaligen Stimmenverteilung zu machen sich veranlaßt 
sah. Dagegen kommt derselbe Gedanke, d. h. der Hinweis auf das historische 
Recht, auch jetzt noch dadurch zum Ausdruck, daß um die Festsetzung von 
17 Stimmen für Preußen zu begründen, nicht etwa auf die Tatsache Bezug 
genommen ist, daß zu Preußen weit über die Hälfte des Territoriums und 
der Einwohnerzahl des Deutschen Reichs gehört, sondern es ist im Art. 6 
daran erinnert, daß Preußen der Rechtsnachfolger von Hannover, Kurhessen, 
Holstein, Nassau und Frankfurt geworden ist, sodaß das Prinzip der Stimmen- 
verteilung des ehemaligen Deutschen Bundes die Zahl von 17 Stimmen 
ohne weiteres ergibt. Über die politischen Gründe, die dazu geführt haben, 
in diesem Punkte die historischen Verhältnisse zur Grundlage der Verfassung 
zu machen, hat sich Fürst Bismarck in der Sitzung des konst. Reichstags 
v. 26. März 1867 St. B. 350 wie folgt geäußert: 
„Jede Stimmenverteilung dieser Art hat notwendig etwas Willkürliches; 
sie so einzurichten, etwa wie im Reichstage, daß die Bevölkerung maß- 
gebend wäre, ist hier natürlich eine Unmöglichkeit. Es würde dann auf 
Preußen eine solche Majorität entfallen, daß die übrigen Regierungen 
gar kein Interesse mehr hätten, sich daneben vertreten zu lassen. Es hat 
also notwendig ein Stimmenverhältnis gewählt werden müssen, welches 
eine Majorität außerhalb der preußischen Vota zuläßt. Die hier vor- 
liegende Verteilung hat einen ganz außerordentlichen Vorzug, der nament- 
lich, jemehr Spielraum der Willkür (bei Verteilung der Stimmen) ge- 
boten ist, umso schwerer ins Gewicht fällt, nämlich denjenigen, daß die 
Regierungen sich darüber geeinigt haben, was für einen anderen (Ver- 
teilungsmodus) nicht so leicht zu erreichen sein wird. Warum haben fie 
sich darüber geeinigt? — weil hier zwar eine auch willkürliche Verteilung 
vorliegt, die aber 50 Jahre alt ist und an die man sich 50 Jahre lang 
gewöhnt hat. Es hat in den Wünschen der Regierung gelegen, daß diesen 
Motiven gerade Ausdruck gegeben werde, daß fie deshalb, weil dieses Stimm- 
verhältnis ein hergebrachtes ist, schon in rechtlicher Geltung bestanden hat, 
ihm beigetreten sind, nicht aber deshalb, weil fie hierin gerade eine rich- 
tige Verteilung nach Macht, Einfluß und Bevölkerung gesehen hatten."“ 
Ahnlich hat sich Fürst Bismarck kurze Zeit darauf in der Sitzung des 
preußischen Abgeordnetenhauses v. 11. Dez. 1867 St. B. 337 geäußert:
	        
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