570 X. Konsulatwesen. Art. 56.
Rechtsquellen vorhanden find, zu entscheiden, sein. Handelt es sich um
Gesetze des Deutschen Reichs, so geht im Falle eines zwischen ihnen be-
stehenden Widerspruchs das spätere dem früheren vor. Staatsverträge, die
das Reich abgeschlossen hat, werden nach ihrer Verkündung wie gültige
Reichsgesetze behandelt, also auch hier derogiert das später entstandene Recht,
mag es auch Vertragsrecht sein, der früheren Rechtsquelle, selbst wenn die
letztere Gesetzesrecht ist. Was dagegen die im Auslande geltenden Rechts-
quellen betrifft, so ist davon auszugehen, daß es die Pflicht des Auslands
ist, die durch gültige Verträge geschaffene Rechtslage anzuerkennen und
nicht einseitig entgegenstehende Bestimmungen für das eigene Staatsgebiet
zu erlassen. Für den Konful gilt stets das Vertragsrecht als gültiges
Reichsrecht. Soweit es im Inland und Ausland verschieden ausgelegt
wird, ist der Konsul, wie überall, wo es sich nicht um richterliche Ent-
scheidungen handelt, den Weisungen seiner vorgesetzten Dienstbehörde, also
der Auslegung, die dem Vertragsrecht von der Reichsverwaltung gegeben
wird, zu folgen verpflichtet. Abgesehen hiervon bildet allerdings, wie im
§ 1 des Ges. v. 8. Nov. 1867 zum Ausdruck gebracht ist, das in dem kon-
sularischen Amtsbezirk geltende Recht des Auslands eine Schranke, die der
Konsul nicht überschreiten darf. Es ist also nicht zu verhindern, sondern durch
das Ges. v. 8. Nov. 1867 anerkannt, daß Amtshandlungen der Konfuln,
die Verbotsgesetzen des Auslands zuwiderlaufen, der den Amtsbezirk be-
herrschenden Staatsgewalt des Auslands gegenüber rechtswidrig find.
Das im Art. 56 dem Kaiser über das gesamte Konsulatswesen zu-
gesprochene Aufsichtsrecht ist durch § 3 des Ges. v. 1867 dem Reichskanzler
delegiert, der die Aufsicht durch das Auswärtige Amt ausübt. Daß die
Konsuln Reichsbeamte sind und unter der Aufsicht von Reichsorganen stehen,
schließt, wie im § 3 näher bestimmt ist, nicht aus, daß sie auch die besonderen
Interessen der Regierungen der Einzelstaaten wahrnehmen und zu ihnen in
geschäftlichen Verkehr treten, natürlich unter Aufficht und mit Billigung der
zuständigen Aufsichtsorgane des Reichs. Im Vertrage mit Baden und
Hessen Ziff. 6 und im Schlußprotokoll des Vertrages mit Bayern XII Abf. 2
(B.G.Bl. 1870 S. 657 und 1871 S. 25) ist vorgesehen, daß für die Ein-
richtung von Reichskonsulaten das Interesse auch nur eines Bundesstaates
genügen sollte. Natürlich müssen die Konsuln, wenn eine Kollision zwischen
den Interessen der Einzelstaaten in Frage kommen kann, paritätisch zu Werke
gehen; dies ist noch besonders durch Art. 3 Abs. 6 R.V. vorgeschrieben.
Der nach § 4 des Ges. von den Reichskonsuln zu leistende Diensteid weicht
in seiner Fafsung von der für die anderen Reichsbeamten allgemein fest-
gestellten Formel ab, da er den besonderen Amtspflichten der Konsuln an-
gepaßt ist. Wahrscheinlich geschah es, weil man sich z. Z. der Emanation
des Gesetzes noch nicht zu einer für alle Reichsbeamten passenden Formel
entschlossen hatte; wenigstens ist die erste, den Diensteid der unmittelbaren
Bundesbeamten betreffende Verordnung erst später, u. d. 3. Dez. 1867
B. G. Bl. S. 327 erlassen worden.
Bei der durch Art. 56 vorgeschriebenen Anhörung des Ausschufses des
Bundesrats für Handel und Verkehr kann es sich nur um eine gutachtliche
Außerung handeln.
Die Amtspflichten der Konsuln beziehen sich, abgesehen von der Be-
richterstattung über die Verhältnisse des Auslands, namentlich über Handel,