XI. Reichskriegswesen. Art. 67. 613
Die Militärkonventionen find Staatsverträge, die zwischen Preußen und
anderen Einzelstaaten, bez. zwischen dem Reich und den außerpreußischen
Einzelstaaten über die Militärverwaltung geschlossen find. Die Konventionen
gehen davon aus, daß nach der verfassungsmäßigen Regelung des Militär-
wesens den Einzelstaaten die eigene Verwaltung ihres Militärwesens und
überhaupt alle nicht auf das Reich ausdrücklich übertragenen Befugnisse
geblieben find. üÜber diese nach der Verfassung zurückbehaltenen Befugnisse
wird in den Konventionen verfügt, und zwar abgesehen von Sachsen und
Württemberg in dem Sinne, daß die Militärverwaltung auf Preußen über-
tragen und nur einzelne Rechte zurückbehalten werden, teils auch — so für
Sachsen und Württemberg — daß eher eine Einschränkung als eine Aus-
dehnung der verfassungsmäßigen Rechte des Reichs stattfindet. Zwar sind
die Vorschriften der Art. 57—68 R.V. auf Württemberg an und für sich
ebensowenig wie auf Bayern anwendbar, jedoch erstreckt sich dem württem-
bergischen Kontingent gegenüber der Oberbefehl des Kaisers auf Krieg und
Frieden, dem bayrischen Kontingent gegenüber nur auf den Krieg. Dadurch
ist im Verhältnis zu Württemberg für die Militärkonvention ein anderes
Feld eröffnet und Württemberg in eine dem Königreich Sachsen ungefähr
ähnliche Linie gerückt. Übrigens find auch von den anderen Bundesstaaten,
welche die Militärverwaltung auf Preußen übertragen haben, nicht nur
Rechte aufgegeben worden, sondern zum Teil ist eine Gegenleistung nach
der Richtung gewährt worden, daß der Kaiser in dem ihm verfassungs-
mäßig, auf Grund seines Oberbefehls zustehenden Rechten eine Modifikation
der Ausübung, z. B. für die Dislozierung der Truppen zugesagt hat. Die
Zulässigkeit solcher Verträge, in denen also über verfassungsmäßige Be-
stimmungen disponiert wird, ist durch die Verfassung anerkannt, allerdings
in etwas verhüllter Form, dadurch, daß sie im Art. 66 und auch in der
Schlußbestimmung des XlI. Abschnittes erwähnt werden in einer Form, die
erkennen läßt, daß die Verfassung ihre Rechtsgültigkeit voraussetzt. Ohne
diese Anerkennung wäre ihre Gültigkeit mindestens zweifelhaft, weil sie zum
Teil in das von der Verfassung geregelte Gebiet eingreisfen. Das Anerkenntnis
gilt auch für etwaige Konventionen der Zukunft, soweit ihr Inhalt sich in den
Grenzen solcher Verfügungen hält, die im Sinne der Verfassung der Regelung
durch die Konventionen überlassen sind. Die insoweit allein in Betracht
kommende Vorschrift des Art. 66 bestimmt allerdings den möglichen Inhalt
einer Konvention nicht ausdrücklich und sogar kaum andeutungsweise, denn der
erste Satz betr. die Ernennung der Offiziere gibt nur ein Beispiel; aber da durch
die Verfassung die zur Zeit der Emanation der Verfassung bereits abgeschlosse-
nen Konventionen anerkannt sind, so ist der Schluß gerechfertigt, daß Kon-
ventionen gleichen Inhalts auch für die Zukunft zugelassen werden sollten; vl.
auch den abweichenden Standpunkt von Laband IV S. 24 ff., v. Seydel S. 380 ff.
Die Militärkonventionen find abgedruckt in den Anlagen zu den St. B.
des Reichstags 1872/1874 und in dem Werk „Die Militärgesetze“ (Mittler-
scher Verlag); vgl. auch Laband IV S. 24ff.
Artikel 67.
Ersparnisse an dem Militär-Etat fallen unter keinen Umständen einer
einzelnen Regierung, sondern jederzeit der Reichskasse zu.