man möchte vielleicht erwarten, daß Bismarck
die günstige Stimmung nun benützt und mit
sanfter Gewalt die süddeutschen Regierungen zum
Eintritt genötigt hätte. Er tat das gerade Gegen-
teil: er hielt sich völlig zurück, so daß der treffliche
badische Minister Jolly, der mit seinem Groß-
herzog zusammen mit aller Kraft für die nationale
Einheit wirkte, schon fürchtete, Bismarck wünsche
wirklich nicht den Anschluß der Süddeutschen.
Ganz ebenso war auch der Kronprinz mit der an-
scheinenden Lauheit des Bundeskanzlers im höch-
sten Grade unzufrieden. Bismarck aber wartete
ab und sagte sich, daß er in viel vorteilhafterer
Lage sein werde, wenn die anderen ihm, wie
er sagte, kommen müßten. Es existierte eine
Stelle, die von der Natur berufen war, den Stein
ins Rollen zu bringen, nämlich Sachsen, das sich
als einzige Mittelmacht im Norddeutschen Bunde
vereinsamt fühlte und von dem Eintritt der süd-
deutschen Königreiche eine Stärkung des födera-
tiven Elementes im Bunde erhoffen durfte.
Schon drei Tage nach der Schlacht bei Grave-
lotte hatte der Kronprinz Albert von Sachsen
mit Bismarck eine Unterredung, worin dieser den
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