276 Der Feldzug in Galizien und Südpolen bis zum 15. Sept. 1914
ungarische Heer auch im ungünstigsten Falle nicht dem Verderben preisgab.
Im günstigsten Falle wurden die Russen auf der ganzen Linie zum Rückzug
gezwungen und zu einer Neuordnung der Armee hinter dem Bug und dem
Styr genötigt und dadurch die polnische Weichsellinie von Süden umgangen
und aufgebrochen. Am stärksken kam dies zum Ausdruck, wenn der festgesügte
linke Angriffsflügel, der aus den Armeen Dankl und Auffenberg bestand,
von Süden her in das polnische Festungsgebiet zwischen Weichsel und Bug
hineinstieß, die Linie Iwangorod—Cholm zerschnict, dadurch das strategische
Eisenbahnnegß zerriß und in die verwundbare Flanke der polnischen Haupl.
stellung einbrach. Gelang dies, so war auch der Vormarsch der gegen Ost.
preußen aufmarschierenden russischen Armeen ins Leben getroffen. Ooch
bedurfte es dazu starker Kräfte und einer nach Osten und Süden stand.
baltenden Flankengruppe, die auf keinen Fall erschüttert oder gar geworfen
werden durfte. Unter diesen Voraussetzungen schritt das österreichisch-
ungarische Nordheer zum Angriff.
Der Vormarsch der Österreicher und Angarn
Um die zwischen Weichsel und Bug versammelten russischen Heeres-
massen zu schlagen, ehe sich die russischen Armeen aus Wolhynien und Po-
dolien herangewälze hatten, wurde der Vormarsch der 1. Armee beschleunigt
und die 4. Armee noch weiter vorgeschoben. Schon am 20. und 21. August
erhielten die Generale Dankl und Auffenberg den Befehl, aufzuschließen
und die Aufklärung zwischen Weichsel und Bug fortzusechen. General
v. Köveß wurde angewiesen, das XII. Korps nach DPrzemyslany—Swirz
und das III. Korps in den Naum um Lemberg zu leiten. Im Raume Lem-
berg befehligte General v. Brudermann auf ausgesetztem Posten, ohne schon
ller eine geschlossene starke Kampfgruppe zu verfügen und ohne die ver-
sügbaren Kräfte vereinigt zu haben. Die 11. Division war nicht von Brzezany
auf Lemberg zurückgeholt, sondern in der Richtung auf Iborow nordöstlich
vorgeschoben worden, wo sie in Fühlung mit der Heeresreiterei den Raum
Tarnopol überwachte, in den schon starke russische Vortruppen einzubrechen
begannen. Besonders glücklich war die Aufstellung der 11. Division nicht;
sie war ihrem Korps entzogen, ohne Bürgschaft für die Abwehr eines russi-
schen Angriffs leisten zu können. In ähnlicher Stellung hatte die Division
Douay bei Weißenburg am 4. August 1870 gelagert, allerdings ohne jegliche
Sicherung, während hier brave österreichische und ungarische Reiter vor
die ausgesecte Truppe einen Schugvorhang warfen.
Alles kam darauf an, ob die 1. und 4. Armee trot der ungünstiger ge-
wordenen Lage Zeit und Kraft zu einem großen Schlag behielten und die