Full text: Regierung und Volkswille.

Die englische Volksvertretung. 13 
wies, sowie diese wieder bei den Neuwahlen durch alle 
Mittel, namentlich aber durch einfachen Stimmenkauf, die 
Wähler für sich gewannen. Diese doppelte Korruption wurde 
als ein unvermeidliches Mittel angesehen, um auf dem 
schwankenden parlamentarischen Boden eine feste Regierung 
aufzubauen, und bis tief ins 19. Jahrhundert hinein findet 
man die Spuren davon. Gentz, das literarische Mundstück 
des Fürsten Metternich, führte die Unvermeidlichkeit der 
Korruption immer als Hauptargument ins Feld, um die 
Nachahmung der englischen parlamentarischen Institutionen 
auf dem Festlande zu bekämpfen. Noch im Jahre 1869 ist 
es vorgekommen, daß ein Kandidat 6400 Mark in Silber am 
Wahltag in seinem Wahlort auf die Straßen streuen ließ. 
Die Wahl wurde angefochten, aber schließlich doch für gültig 
erklärt, weil nicht bewiesen werden konnte, daß der Kandidat 
den Wählern Geld gegeben hatte. Es konnten ja irgend- 
welche andere Mitbürger gewesen sein, die das Geld von 
der Straße aufgerafft hatten. 
Der Notwendigkeit einer Wahlreform verschloß man sich 
bereits im 18. Jahrhundert nicht. Ein Herzog von Richmond 
beantragte sogar einmal im Oberhaus die Einführung des 
allgemeinen gleichen Stimmrechts. Auch Pitt hatte eine 
Reform in Aussicht genommen. Um aber den rotten 
boroughs, die nun einmal die Wahlbefugnis als ihr wohl- 
erworbenes Recht ansahen, kein Unrecht zu tun, hatte er die 
uns grotesk anmutende Idee, ihnen dieses Recht, aus dem 
sie bisher einen so schönen Nutzen gezogen, für 1 Million 
Pfund Sterling bar abzukaufen. Aber ehe dieser Plan noch 
zur Reife gediehen war, kam die französische Revolution. 
Schon 1790 ließ Burke den ersten Warnungsruf ertönen, 
und Pitt erklärte, als er die revolutionäre Bewegung jen- 
seits des Kanals immer weiter um sich greifen sah, daß er 
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