in Frankreich. 23
der Proportionalwahl ist seit Jahren kein geringerer als der
nunmehr zum Präsidenten der Republik Frankreich erwählte
Raymond Poincaré, Poincaré war Advokat und Journalist
von Beruf; seit 1893 abwechselnd Unterrichts-, Finanz- und
Auswärtiger Minister. Er kennt also das innere Getriebe
der französischen Verfassung und Verwaltung ganz genau.
Schon im Jahre 1909 (19. September) sagte er: „Ich
habe seit langer Zeit eine festgewurzelte Ansicht: Ich bin
überzeugt, daß wir den Abgrund immer weiter
hinuntergleiten, wenn wir uns nicht entschließen, unser
Wahlsystem von Grund auf zu ändern, die Abstimmungs-
basis zu erweitern, die Unzulässigkeit des Majoritäts-
verhältnisses zu vernichten und ehrlich in der französischen
Vertretung ein getreues Abbild aller französischen Meinungen
zu suchen. Mögen alle Republikaner, die heute noch dieser
unumgänglichen Lösung widerstreben, sich ihr anschließen,
bevor die Wahlkorruption ihr verderbliches Werk vollendet
hat und Katastrophen unvermeidlich macht.“ Und nachher
schrieb er: „Die schlechteste Verhältniswahl ist in meinen
Augen immer noch besser als die beste Mgjoritätswahl.
Es ist freilich nicht weniger wahr, daß die meisien Ver-
hältniswahlsysteme ungenügend sind. Wir müssen ein ein-
faches, leicht verständliches und gerechtes System haben.“
Das Übel, das Herr Poincaré bekämpfen will durch den
Proporz, ist nicht sowohl die Korruption im Parlament selbst
als die von dem jetzigen Wahlsystem ausgehende Verderb-
nis in der Verwaltung. „Die Wahlreform,“ sagte er darüber
(25. Juni 1912), „hat den Zweck, dem Regime des Favo-
ritismus und der Empfehlungen, das die normale Tätigkeit
der Verwaltungen fälscht, ein Ende zu machen.“ Als darüber
in der Kammer von den Gegnern gemurrt wurde, fuhr er
mit erhöhter Stimme fort: „Ich sage es laut heraus, was