4 Vorwort.
ist es nicht das Wesen und der Zweck der Geschichte, aus
ihr Lehren zu ziehen für das praktische Handeln. Das
Wesen der echten Geschichtsschreibung ist die reine Betrachtung.
Es gibt keine Gesetze der Geschichte, und man kann keine
Verhaltungsregeln aus ihr ableiten. Das schließt aber
nicht aus, daß eine klare Einsicht in den Ursprung und
das Werden der Zustände, in denen wir leben, ein un-
schätzbares Hilfemittel ist, die Gegenwart zu verstehen, und
das bessere Verständnis der Gegenwart, wenn es auch noch
keine Prophetengabe für die Zukunft verleiht, schärft doch
den politischen Blick. Nicht minder werden wir das von
der Einsicht in das Werden und Vergehen anderer Völker
erwarten dürfen. Wenn es wahr ist, daß Politik Voraus-
sehen verlangt, so hat schon hierdurch die echte Geschichts-
kenntnis ihren hohen Wert für die Politik, wenn schon ihr
eigentlicher Zweck darin nicht liegt. Das Voraussehen in
der Politik erleichtert des weiteren ihre praktische Aufgabe,
die Zielsetzung, der dann endlich der Wille zur Tat in der
praktischen Staatskunst das volle Leben verleihen muß.
Nationale Gesinnung verlangen wir heute von jedem, aber
auch wenn die Gesinnung sich paart mit der Willenskraft,
kann sie den nationalen Staat doch nur dann gedeihlich
führen, wenn sie die wohl überlegende und durchgebildete
Einsicht an der Spitze hat.
In diesem Sinne sind Wissenschaft und Politik in den
„Preußischen Jahrbüchern“ von je verbunden gewesen, und
was dort nach den Forderungen des Tages gegeben wird,
habe ich nun hier, freilich nur in der flüssigen Form einer
Vorlesung, versucht systematisch zu entwickeln. Die
„Preußischen Jahrbücher“ haben sich oft dem Strom der
öffentlichen Meinung entgegengestemmt, zuweilen auch bei
guten Freunden Widerspruch erregt. Ich gebe mich der