Full text: Deutschland als Kolonialmacht.

  
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Seitdem alles herrenlose Land als Kronland angesehen wurde, konnten Enropäer fast 
nur noch in städtischen Ortschaften und deren nächster Nähe Land direkt von Eingeborenen 
erwerben. Im übrigen war der Landesfiskus alleiniger Verkänfer. Wollte jemand eine 
Plantage anlegen, so bezeichnete er dem zuständigen Bezirksamtmann das Gelände, 
worauf dieser feststellte, daß Rechte anderer nicht vorhanden waren und das Stück zu 
Kronland erklärte. Verkauft wurde Land, um einer unfruchtbaren Spekulation vor- 
zubengen, grundsätzlich nicht mehr, sondern nur noch nach einem ein für allemal geltenden 
Schema auf 25 Jahre verpachtet. Doch hatte der Pächter das Recht an dem unter Kultur 
gebrachten Lande und einer gleichgroßen noch unkultivierten Fläche zu einem im voraus 
sestgesetzten Preise das Eigentum zu erwerben. Dagegen war der Pächter verpflichtet, 
jährlich ein Zehntel der Pachtfläche unter Kultur zu bringen. Das Prinzip ist richtig. 
Aber die Durchführung erfordert sehr viel Takt der Behörden, da sich bei der Frage des 
Rechtes zur Weiterverpachtung, oder welche Art der Nutzung als Inkulturnahme zu 
gelten hat usw., fortgesetzt schwere Differenzen ergeben. 
Die Kaffeepflanzungen wurden nicht weiter ausgedehnt. Als man Ende der 
neunziger Jahre mit den Anlagen begann, war der Kaffee in zehn Jahren auf fast das 
doppelte an Wert gestiegen (1899 1,71 M.). Aber die günstigen Preise hatten auch in 
anderen Ländern, insbesondere Amerika, große Neuanlagen bewirkt, und so sank der 
Preis mehr und mehr, bis er 1906 auf 0,87 M. anlangte, wobei Usambara, trotz der 
guten Qualität seiner Bohnen, nicht mehr recht auf die Kosten kam. Glücklicherweise 
begannen gerade damals zwei andere Kulturen, Kautschuk (Manihot Glaziovü) und 
Sisal einzuschlagen. Damit begannen die Hochländer im Werte zu sinken und die Tief- 
länder zu steigen, und die Kaffeegesellschaften versuchten — vielfach mit Erfolg — sich 
durch die Anlage neuer Pflanzungen zu sanieren. Auch unter Krankheiten hatten die 
Kaffeebäume gelitten, besonders unter dem Rostpilze Hemileia vastatrix. Indes wurde 
man dieses Feindes, der in Ceylon die Pflanzer gezwungen hatte, die Kaffeekultur auf- 
zugeben, verhältnismäßig leicht Herr. . 
ZurBekämpfungdiesesnndähnlicherSchädlinge,sowiezurVornahmerationeller 
Versuche allerart, wurde in Amani (Ostusambara) das Biologisch-landwirtschaftliche 
Institut errichtet, das heute mit seinen ausgedehnten Gärten und Laboratorien und einem 
auserlesenen Gelehrtenstabe den Stolz der Kolonie bildet und den Pflanzern jahraus 
jahrein zahlreiche praktische Winke gibt. Sein erster Direktor wurde Dr. Franz Stuhlmann. 
Die Versuchsfarm Kwai hatte ihren Zweck erfüllt, nachdem sie nachgewiesen hatte, 
unter welchen Voraussetzungen eine enropäische Gutswirtschaft in den Hochländern 
Afrikas möglich ist. Sie wurde an einen alten Wißmannkämpfer, Ludwig Allich, ver- 
pachtet, der dort noch heute mit Erfolg die Zucht von Pferden und europäischen Nindern 
betreibt, vor allen Dingen aber die Ergebnisse einer umfangreichen Schweinezucht in 
Gestalt von Konserven weit über die Grenzen des Schutzgebietes hinaus versendet. 
Eine Reihe industrieller Unternehmungen wurde gegründet. Die Schulzsche 
Brauerei in Daressalam erfreute sich immer größerer Inanspruchnahme und unßte 
erweitert werden. Hier und in Tanga wurde eine Eisfabrik gegründet. Iu Tauga auch 
eine Seifenfabrik, die Kopra als Rohmaterial verwendete. Zur Ausnutzung der Holz- 
bestände in Usambara entstanden drei Sägewerke, davon eins, das der Sigi-Export- 
Gesellschaft mit Dampfbetrieb. Am Malagarassi, dem Zufluß des Tanganjika, wurde 
die Saline Gottorp eröffnet, welche bald 20 000 Zentner Salz für die Kolonie und den 
Kongostaat lieferte. Die Zentral-Afrikanische Bergwerksgesellschaft begann die Gold- 
gewinnung auf den Fundstellen im Süden des Vietoria-Rjansa. Einen ganz bedeutenden 
Aufschwung nahmen überhaupt die Gebiete an diesem See, seit die Ugandabahn begann 
immer mehr ihre Wirksamkeit auszuüben. Bisher waren die reichen Viehbestände jener 
Gegenden wirtschaftlich nicht anders genutzt worden, als daß die Eingeborenen sie für 
ihren Lebensunterhalt verwendeten. Das wurde jetzt anders. Europäische und indische 
Händler begannen die Rinder- und Ziegenhäute aufzukaufen, und bald begannen die 
Eingeborenen, durch den leichten Gewinn verlockt, ihre Herden in dem Maße abzuschlachten, 
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