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Brandmauer die Weiterverbreitung des Aufstandes hinderten, weil hier eine seit Jahren
konsequent durchgeführte Politik der festen Hand ihre Früchte trug: Langenburg und
Iringa. Dort wie hier beteiligten sich nur unbedeutende Grenzgebiete an der Rebellion,
und so konnten Abtceilungen der Besatzungen den Nachbarbezirken zu Hilse eilen. Ganz
besonders hervorgehoben zu werden verdient der Hauptmann Nigmann, der von Iringa
aus mit blitzartiger Geschwindigkeit nach allen Richtungen vorstieß, Mahenge und Ssongea
entsetzte und so den großen Expeditionskorps wertvolle Vorarbeit leistete. Diese beendeten
dann, planmäßig und geschickt vorgehend, bis zum Frühjahr 1906 überall den Aufstand.
Der Aufstand hatte dem Schutzgebiete schwere Wunden geschlagen. Vielfach hatten
die Felder nicht bestellt werden können, der Viehbestand war dezimiert und die Be-
völkerung durch die Verluste im Kriege, durch Hunger, Senchen und durch Abwanderung
über den Rovuma gelichtet worden.
Gouvernenr Freiherr von Rechenberg.
Am 12. April 1906 verließ Graf Götzen das Schutzgebiet, und im September über-
nahm Albrecht Freiherr von Rechenberg das Gouvernement.
Kein Gonverneur ist so befehdet worden wie Rechenberg, am meisten von den
Europäern seiner eigenen Kolonie. Seit Jahren schon hatte sich bei den zahlreichen
Neugründungen enropäischer Pflanzungen und besonders seitdem der Eisenbahnban
tatkräftig betrieben wurde, eine ständig steigende Arbeiternot bemertbar gemacht. Man
verlangte Maßnahmen der Regierung zur Linderung der Not, insbesondere einen Druck
in Gestalt von Steuererhebungen, oder direkt die Zwangspflicht jedes Negers, alljährlich
einige Monate auf einem seiner Wahl überlassenen europäischen Betriebe zu arbeiten.
Bisher hatte die Regierung nicht nein gesagt, ja mit halben und ganzen Versprechungen
die Frage dilatorisch behandelt. Rechenberg trat diesen Wünschen alsbald mit einem
kategorischen „Niemals“ entgegen. Die Denkschrift, die nach Schluß des ersten Jahres
seiner Verwaltung erschien, ließ das Rechenbergsche Kolonialprogramm in aller Schärfe
erkennen. Der Gonvernenr hatte in der ersten Hälfte der neunziger Jahre in der Kolonie
als Bezirksrichter und Bezirksamtmann gewirkt und sich im hohen Maße die Zuneigung
der Farbigen erworben. Damals gab es noch keine Plantagen, und die Ansfuhr der
Kolonie bestand aus den Ergebnissen der Jagd, des Ackerbaues und der Sammellätig-
keit der Neger: Kautschuk, Kopal, Elfenbein, allenfalls Kopra, Erdnüsse, Sesam. Diese
Gegenstände wurden von indischen Kleinhändlern aufgekauft und von den enropäischen
Großfirmen in Sansibar verschifft. In Sansibar war Rcchenberg in der zweiten Hälfte
der neunziger Jahre als Konsul tätig gewesen. Es ist nicht die Aufgabe eincs Konsuls,
die Eingeborenen zur Produktion zu veranlassen, ihre Mbeit unter europäischer Leitung
zu organisieren. Der Konsul vermeidet alles, was den Eingeborenen, als den von ihm
anerkannten Herren des Landes, unangenehm ist; durch freundliches Entgegenkommen
sucht er ihre Sympathien zu gewinnen und die konkurrierenden Konsuln anderer Mächte
auszuschalten. So mag sich in Rechenberg die Vorstellung von der Idealkolonie gebildet
haben, in der der Eingeborene nach eigenem Gefallen und eigenem Plane produziert
und der Enropäer sich daranf beschränkt, das aufzukanfen, was ihm der Neger gutwillig
bringt.
Vanz anders stellten sich die Europäer Deutsch-Ostafrikas eine Kolonic vor. Der
Neger arbeitet nach ihrer Ausicht nur unter einem Zwange mehr als für die Fristung
seines bescheidenen Daseins unbedingt erforderlich ist. Deshalb schafft er keine neunens-
werten Exportwerte, wenn man ihm es überläßt seine Tätigkeit zu regeln. Anderseits
genießt er gegen den früheren Urzustand alle Vorteile der Kultur: Sicherheit von Leben
und Eigentum, Schutz gegen Senchen und Gelegenheit zum Erwerb und zur Bildung.
Die Gegenleistung muß Arbeit sein, systematisches, planmäßig geleitetes Werteschaffen.
Der Neger muß zur Arbeit erzogen werden, wie ein Kind in der Schule, und das leistet
der europäisch geleitete Plantagenbetrieb. Nur dann können die Kolonien rentabel