Full text: Deutschland als Kolonialmacht.

  
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werden, wenn der Eingeborene über den Eigenbedarf arbeitet. Kurz und gut: unter den 
Verhältnissen, die wir in Ostafrika finden, müßten Plantagen= nicht Eingeborenen- 
kulturen, die Grundlage der Rentabilität bilden, muß die Losung heißen: Plantagen- 
nicht Handelskolonie. 
Rechenberg wurde es nicht schwer, den neuen Kolonialstaatssekretär, der als Kauf. 
mann und freisinniger Politiker die Voraussetzungen dazu bereits in sich trug, für seine 
Überzeugung zu gewinnen, als beide 1907 von Muansa nach Tabora das Land der 
fleißigen Wassukuma und Wanjamwesi durchwanderten. Und bald traten sich scharf eine 
Kolonialtheorie der Regierung und eine der Pflanzer entgegen. Zu dem war Rechenberg 
eine unerbittlich konsequente Natur, ein leidenschaftlicher Hasser und leider auch ein 
Charakter, dem das unumwundene Neinsagen Freude machte. Auch da, wo es unnötig 
und verkehrt war. So spitzten sich die Gegensätze mehr und mehr zu. Die Deutsch- 
Ostafrikanische Zeitung verlor in ihren Angriffen auf den doch immerhin hochbedentenden 
Gouverneur jede Scham. Ein auf Veranlassung Rechenbergs gegründetes Regie- 
rungsorgan, die „Deutsch-Ostafrikanische Rundschau“", verschlimmerte die Situation 
erheblich durch die Bärendienste, die sie leistete, und die beständigen Blößen, die sie sich 
und der Regierungssache gab. Unerquickliche Prozesse reihten sich aneinander. Und schließ- 
lich räumte der Gouverneur, angewidert und mürbe gemacht, 1912 das Feld. 
Es ist auf beiden Seiten gesündigt worden. Wir bekennen uns nicht zu der Rechen- 
berg-Deruburgschen Kolonialtheorie. Dabei dürfen wir nicht — wie die Ostafrikaner 
es meist taten — übersehen, daß Rechenberg ein Meister der praktischen Verwaltungskunst 
war, ein Mann mit nüchternem Wirklichkeitssinn und klarem Blick, bereit zur Initiative 
und Verantwortung, voller Furchtlosigkeit nach oben und unten. Er ist trotz aller 
Mängel der bedeutendste Gouverneur, den die Kolonie gehabt hat. 
So hat denn die Kolonie auch unter ihm einen ungeahnten Aufschwung genommen. 
Freilich nicht allein durch Rechenbergs Tätigkeit. In erster Linie durch die Tüchtigkeit 
unserer Pflanzer und ihre Erfolge, die dem Kapital Vertrauen gaben zu weiteren Investie- 
rungen, daneben durch die Werbetätigkeit Dernburgs. Sodann aber zweifellos anch 
durch die Rechenbergsche Verwaltung. Seine Entscheidungen in den zahllosen trag- 
weiten Fragen, die täglich an den Gouverneur einer Kolonie herantreten, waren 
klar und praktisch. Und die Erfolge der täglichen Kleinkunst der Verwaltung treten 
eher in die Erscheinung als die Fehler des Systems. 
Zunächst mußten die Folgen des Aufstandes überwunden werden, und das gelang 
— scheinbar — überraschend schnell. Denn die günstigen Bilanzen der nächsten Jahre 
beruhten auf der sprunghaften Entwicklung anderer Bezirke, während die vom Aufstand 
heimgesuchten noch jahrelang zu leiden hatten. Immerhin konnten die gesperrten 
Bezirke wieder für den öffentlichen Verkehr freigegeben werden, nachdem die Ruhe 
überall wiederhergestellt worden war. Die Rebellen Lupia und Ngosingosi an den 
Grenzen des Bezirks Langenburg konnten allerdings erst im Jahre 1907 durch die dortige 
Polizei unschädlich gemacht werden. Am meisten hatte der Bezirk Ssongea durch Menschen- 
verluste, meist infolge von Abwanderung ins portugiesische Gebiet, gelitten. Sie wurde 
aber weit ausgeglichen durch eine Einwanderung, die 1900 25 000 bis 30 000 Menschen 
in den Bezirk Lindi und 1910 etwa 5000 Köpfe nach dem Bezirk Ssongea vrachte. 
Erhebliche Friedensstörungen kamen in der Rechenbergschen Zeit nicht vor. 1000 
mußte gegen einige Häuptlinge in Urundi vorgegangen werden und 1910 sammelten 
Belgier und Engländer an unserer Nordwestgrenze so auffällig Truppenmassen an, daß 
auch wir zur Beruhigung der Eingeborenen und zum Schutz gegen etwaige Uberläufer 
genötigt waren, einige Kompagnien unter dem Major Johannes dort zusammenznuziehen. 
Im selben Jahre mußte in Ruanda gegen die Mörder eines Missionspaters vorgegangen 
werden. Aber erst zwei Jahre später gelang es, sie zu ergreifen und der Gerechtigkeit 
zu überliefern. Die Absetzung des gewalttätigen und dem Trunke ergebenen mächtigen 
Häuptlings Merere von Ussangu gelang ohne Blutvergießen. 1911 mußten — wieder 
im Nordwesten des Schutzgebietes — Strafexpeditionen wegen mehrerer Ermordungen 
      
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