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fürter und widerstandsfähiger in ihrer Volkskraft gezeigt, als man je annehmen
onnte.
Waren sie doch im Kriege aufgewachsen, wie ihre Geschichte zeigt. Wir haben
bereits gesehen, daß ursprünglich uur Buschmänner und Bergdamara das Land
durchstreiften, um an den weit auseinander liegenden Wasserstellen zu rasten und
ihre Buschhütten zu bauen. Nur im Süden des Schutzgebiets, im heutigen Groß-
Namalande, saßen schon Hottentottenstämme, die bereits in früher Zeit aus der
Kapkolonie eingewandert waren. Gegen Ende des 18. Jahrhunderts aber ver-
änderte sich das Bild. Durch das nördliche Eingangstor in unser Schutzgebiet
am Kunene brach, durch uns unbekannte Einflüsse hinausgedrängt aus seinen
ursprünglichen nördlicheren Wohnsitzen, die Phalanx eines mächtigen Bantuvolkes
in das Land ein. Einer gewaltigen Flutwelle gleich überschwemmten die Ova-
herero, begleitet von ungeheueren Rinderherden, die Landschaften des heutigen
Damaralandes bis hinunter zu den baumreichen Ufern des Swakopflusses. Zu-
nächst nahmen sie vom Kaokofelde Besitz, um sich dann nach Osten in die heutigen
Gebiete von Grootfontein, des Waterberges, von Omaruru, Okahandja und
Gobabis zu wenden. Was sich ihrem Vordringen in den Weg stellte, wurde ver-
nichtet oder zu Sklaven gemacht. Der Rest der Buschmänner und Bergdamara
floh in die unzugänglichsten Ortlichkeiten und führte dort das Leben des ge-
hetzten Wildes.
Aber die unersättliche Ländergier der Herero, eine Eigenschaft, die wir auch
in ihrer späteren Geschichte stets aufs neue hervortreten sehen, trieb sie dazu,
immer weiter nach Süden vorzustoßen. Hier aber fanden sie energischen Wider-
stand. Südlich des Auasgebirges nämlich, um Rehoboth und weiterhin im Strom-
gebiet des Auob und Nosob bis hinunter zum Oranjefluß, saßen zu Ansang des
19. Jahrhunderts bereits Stämme der Khoi-Khoin, der Naman, oder, wie wir
sie heute nennen, der Hottentotten. Unter ihnen ragte an Macht und Ansehen
die rote Nation hervor, deren Häuptling Oasib weithin über den Süden herrschte.
In der allgemeinen Linie des Swakopflusses erfolgten damals die ersten wüten-
den Zusammenstöße zwischen den Hirten der Herero und den Jägern der Naman.
Die schwarze und gelbe Rasse begann den gewaltigen Kampf, der fast ein volles
Jahrhundert erfüllte.
Als aber die Hottentotten einzusehen begannen, daß sie der gewaltigen
Macht der Herero auf die Dauer nicht gewachsen sein würden, rief Oasib die-
jenigen Stämme zu Hilse, die damals noch südlich des Oranjeflusses saßen und
die sich „Orlam“-Naman nannten. Ihre Heimat hatte ursprünglich weit süd-
licher gelegen — in den fetten Weidegründen des südlichen Kaplandes. Dort hat-
ten sie bereits mit den Holländern gefochten, als diese ihre ersten Niederlassungen
am Kap der Guten Hoffnung gründeten, und waren dann im Lauf der Jahr-
zehnte in blutigen Kämpfen immer weiter und weiter nach Norden verdrängt
worden. Ihnen war schon längst der Gebrauch des Gewehres und die Art und
Weise europäischer Kriegführung bekannt und geläusig, und längst schon hatten
sie voll Begier auf die Landschaften nördlich des Oranjeflusses gesehen, in denen
ihnen eine neue glückliche Heimat zu winken schien.
Oasibs Ruf nach Hilfe fand bei ihnen williges Gehör und rief sie zu neuen
Taten. Ein gewaltiger Heerbaun überschritt die Ufer des Grenzflusses, und
mit Pferd und Wagen zogen die Orlam nach Norden. Neben anderen heute
fast vergessenen Stämmen ragten unter ihnen die Afrikaner, die Witbooi und die
Stämme hervor, die wir späterhin als die Orlam von Bethanien und Berseba
wiederfinden.
Ihr Führer, Jonker Asrikaner, einer der bedeutendsten Eingeborenen, die
Südasrika hervorgebracht hat, warf sich an der Spitze seiner Reiter auf die
Herero und unterjochte im Fluge das Land bis weit hinauf zu dem großen