Full text: Deutschland als Kolonialmacht.

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dem gesunden rechtlichen Empfinden, auf Gebiete, über denen die deutsche 
Flagge weht und wo Deutschland die volle Herrschaft ausübt, den Begriff „Aus- 
land“ zur Anwendung zu bringen. Die Schutzgebiete sind, wenn sie auch nicht 
zum Bundesgebiet im verfassungsrechtlichen Sinne gehören, doch im weiteren 
Sinne Gebiete des Reichs. Ausland im rechtlichen Sinne kann immer nur ein 
Gebiet sein, welches einer fremden oder überhaupt keiner Staatsgewalt unter- 
steht. Grundsätzlich werden daher die Schutzgebiete dem Inland gleichznachten 
sein. Die Frage kann nur sein, inwieweit dieser Grundsatz in besonderen Fällen 
eine Ausnahme zu erleiden hat. Hierüber wird, soweit der Wortlaut keinen An- 
halt für die Auslegung gewährt, der Zweck der einzelnen in Betracht kommen- 
den Gesetzesvorschriften entscheiden müssen. Als Ausland sind die Schutzgebiete 
u. a. im Sinne der Zollgesetze anzusehen, während sie z. B. strafrechtlich als 
Inland zu erachten sind. In gewissen Fällen ist die Frage vom Gesetzgeber 
selbst beantwortet. So ist z. B. gesetzlich ausdrücklich bestimmt, daß die Schutz- 
gebiete im Sinne des Staatsangehörigkeitsgesetzes und des Doppelstenergesetzes 
als Jnland zu gelten haben. 
Im übrigen bringt es die Eigenschaft der Schutzgebiete als Kolonien (Neben- 
lande) des Reichs mit sich, daß sie in vieler Hinsicht eine Zwitterstellung zwischen 
selbständigen staatlichen Gebieten und dem eigentlichen Reichsgebiet einnehmen. 
Im völkerrechtlichen Verkehr werden sie durch das Reich mit vertreten, so daß 
völkerrechtliche Verträge für sie von den Organen des Reichs abgeschlossen 
werden. Anderseits bilden sie doch mit dem Reiche völkerrechtlich nicht völlig 
eine Einheit. Verträge der erwähnten Art, wie z. B. Handelsverträge, Aus- 
lieferungsverträge haben deswegen für die Schutzgebiete nur Geltung, wenn 
sie ausdrücklich auf diese ausgedehnt sind. Die aus älterer Zeit stammenden Ans- 
lieferungsverträge des Reichs mußten daher noch durch besondere Auslieserungs- 
verträge für die Schutzgebiete (mit Großbritannien von 1894 und 1911, mit 
den Niederlanden von 1897 und 1913) ergänzt werden. Auch staatsrechtlich sind die 
Schutzgebiete insofern mit gewisser Selbständigkeit ansgestattet, als sie eigene 
wirtschaftliche Gemeinwesen darstellen, für die gesonderte Haushaltungspläne 
aufgestellt werden, und eigene vermögensrechtliche Persönlichkeit besitzen, also be- 
sondere Fisci bilden. Für ihre Verbindlichkeiten haftet dementsprechend das 
Reich nicht. Es ist dies ein Rechtsgrundsatz, der im Publikum häufig nicht be- 
achtet wird. Klagen wegen Forderungen, die man an die Kolouialverwaltung zu 
haben glaubt, dürfen nicht gegen den Reichsfiskus gerichtet werden, sondern es 
ist als Beklagter der Fiskus des in Betracht kommenden Schutzgebiets zu 
benennen. 
  
Abgrenzung der Schutzgebiete. 
Von den deutschen überseeischen Besitzungen werden die vier afrikanischen, 
Dentsch-Ostafrika, Deutsch-Südwestafrika, Kamerun und Togo jede als ein be- 
sonderes Schutzgebiet verwaltet. In der Südsee bilden Deutsch-Neuguinea, 
welches neben dem deutschen Teil der Insel Neu-Guinea (Kaiser-Wilhelmsland) 
und den vorgelegten Inseln des Bismarck-Archipels auch die Inselgebiete der 
Karolinen, Palau und Marianen sowie der Marshallinseln umfaßt, und ferner 
Samoa je ein einheitliches Schutzgebiet. Ein selbständiges Schutzgebiet ist endlich 
auch Kiantschon in Ostasien. 
Die Begründung der deutschen Hoheit über die älteren Schutzgebiete ist in der 
Hauptsache durch Besitzergreifung im Wege der Flaggenhissung, z. T. unter gleich- 
zeitigem Abschluß von Schutzverträgen mit den Häuptlingen erfolgt. Die später 
hinzugetretenen Schutzgebiete sowie auch die neuen Teile Kameruns sind durch 
völkerrechtliche Verträge mit andern Nationen, die dort früher Herrschaftsrechte
	        
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