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Viele sterben an ungeeigneter Ernährung, ein großer Teil auch an Fieber. Wenn
man bei den Negern nur leichte Malariasälle beobachtet, so ist dies dadurch zu
erklären, daß die weniger widerstandsfähigen Individuen an der Erkrankung
gestorben sind. Die Malaria kommt hauptsächlich in den tief gelegenen Gegenden
vor und ist besonders stark im Waldlande und an den Niederungen der Flüsse
von Nordkamerun verbreitet. In den höher gelegenen Gegenden sind es Dys-
enterie und Lungenentzündung, die die Bevölkerung dezimieren.
Sehr zahlreich sind die Hautkrankheiten, Lepra, schwere Beinwunden, Krokro
usw. Auch die Pocken treten von Zeit zu Zeit in schlimmer Weise auf. Leider
ist in letzter Zeit die Schlafkrankheit vorgekommen und hat sich weiter verbreitet.
Sie wird von der Regierung mit allen Mitteln bekämpft.
Geisteskranke sind selten. Der Alkohol, sowohl die von den Negern selbst
hergestellten Getränke wie auch der scheußliche, aus Europa eingeführte Schnaps,
scheinen dem Neger wenig zu schaden.
Die Eigenschaften des Geistes und des Charakters sind nach den Rassen ver-
schieden geartet. Auf niedrigster Stufe dürften die Bagielli stehen, die nur als
Jäger etwas leisten. Sie werden wohl nie auf eine höhere Kulturstufe gelangen,
sondern in den anderen Stämmen aufgehen. Die Neger sind in geistiger Hin-
sicht sehr widerstandsfähig. Obgleich sie alles sehr leicht nachahmen und sich leicht
an äußere Einflüsse anpassen können, so ist diese Veränderung doch nur äußer-
lich. Ihre Erfindungsgabe ist sehr gering, und es ist die Frage, ob man dem
Neger selbst irgendeinen Kulturfortschritt verdankt. Ihre Begabung und Fähig-
keiten entwickeln sich im allgemeinen mehr nach der materiellen als nach der
geistigen Seite.
Sie sind Egoisten und Realisten und eine gewisse Bauernschlauheit ist ihnen
nicht abzusprechen. Im Reden und auch im Lügen leisten sie Bedentendes. Selbst-
beherrschung kennen sie fast gar nicht. Im allgemeinen kann man sie als charakter-
schwach bezeichnen, und sie sind infolgedessen leicht zu beeinflussen und zu ter-
rorisieren. Wenn sie gut angeleitet werden, können sie fleißig, ehrlich und tapfer
sein, sich selbst überlassen, sind sie unbrauchbar, faul, verlogen, diebisch und
feig. Deshalb ist ihnen gegenüber auch eine strenge Behandlung, die aber nicht
in Ungerechtigkeit ausarten darf, am Platze. Im allgemeinen kann man sagen,
daß der von der Kultur unberührte Neger besser ist als derjenige, der eine
Halbkultur angenommen hat.
Sehr groß ist die Begabung des Negers für den Handel. Da er im Reden
sehr gewandt ist, im Lügen und Betrügen geübt, große Ausdauer im Schwatzen
hat, ist er für diese Tätigkeit sehr geeignet. Von den in Kamerun vorkommen-
den Negern sind darin die hervorragendsten Vertreter die Haussa und die Duala,
aber man muß die Beobachtung machen, daß der Handel die Charaktereigenschaften
nicht gebessert, sondern eher verschlechtert hat.
Die eingewanderten Stämme der Fullah und Araber weisen andere Charakter-
züge auf als die Neger. Sie sind energischer und charaktervoller, sind aber zu
schwerer Arbeit nicht geeignet. Sie lassen sich auch nicht so leicht terrorisieren
und sind rachsüchtig. Sie scheinen auch ein wirkliches Ehrgefühl zu haben, wäh-
rend das Ehrgefühl des Negers mehr Eitelkeit ist.
Die Organisation der eingeborenen Stämme in dem Schutzgebiet Kamerun
hat durch unsere Besitzergreifung bis auf die nördlichen Gebiete keine wesentliche
Veränderung erfahren. Wir müssen drei hauptsächliche Arten von Stammes-
organisation unterscheiden, die in der Natur und Bodenbedeckung des Schutzgebiets
begründet sind. Das Schutzgebiet Kamernn wird in seiner nächsten Nachbarschaft
der Küste von dichtem Urwald bedeckt und dieser hat verhindert, daß die Ein-
geborenen sich zu größeren Einheiten oder Verbänden zusammenschlossen. Die
mangelnde oder sehr erschwerte Verbindung zwischen den einzelnen Dörfern ver-