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schanungen nach Möglichkeit zu schonen. Diesen Gesichtspunkten trägt das Schutz-
gebictsgesetz Rechnung, indem es bestimmt, daß die für die weiße Bevölkerung
eingeführte Rechtsordnung auf die eingeborene Bevölkerung nur insoweit Anwen-
dung findet, als es durch Kaiserliche Verordnung bestimmt ist. Den Eingeborenen,
also den eingesessenen Bevölkerungselementen, sind rechtlich die Angehörigen
fremder, farbiger Stämme gleichgestellt. Ausdrücklich ausgenommen sind jedoch
die Japaner. Ferner kann der Gouverneur mit Genehmigung des Reichskanzlers
auch sonst Ausnahmen bestimmen, wie dies z. B. in Ostafrika für Goanesen und
Parsen sowie nicht mohammedanische Syrer, in Samoa entsprechend einer Forde-
rung der chinesischen Regierung für die aus China eingeführten Kontraktarbeiter
geschehen ist. Eine weitere Ausnahme ergiebt sich schließlich noch für solche
Farbige, die als Angehörige zivilisierter Staaten, z. B. als Bürger der Ver-
einigten Staaten von Amerika, aus bölkerrechtlichen Gesichtspunkten den Reichs-
angehörigen gleich zu behandeln sind.
Bezüglich der Rechtsstellung der Misclinge enthält das Schutzgebietsgesetz
eine ausdrückliche Vorschrift nicht. Im allgemeinen wird es auch in ihrem eigenen
Interesse richtig sein, sie wie Eingeborene zu behandeln, soweit nicht die Rechtsver-
hältnisse der Eltern ein anderes bedingen.
Die Unterscheidung, welche sich hiernach aus dem Schutzgebietsgesetz zwischen
der weißen und farbigen Bevölkerung oder, wie man den Gegensatz auch aus-
zudrücken pflegt, zwischen Eingeborenen und Nichteingeborenen ergibt, bezieht sich
zunächst nur auf die Gerichtsbarkeit und das bürgerliche sowie Strafrecht. Aber
auch im öffentlichen Recht spielt sie eine Rolle. So wenig der farbigen Bevölke-
rung die gleichen politischen Pflichten wie der weißen amserlegt werden können,
ist es auch möglich, ihnen die gleichen Rechte zu gewähren. Auf der anderen
Seite muß die Verwaltung ihrem geringeren Kulturgrade vielfach gerade dadurch
Rechnung tragen, daß sie sich ihrer in weitgehenderem Maße annimmt als es für
die weiße Bevölkerung nötig ist, insbesondere sie vor Ausbeutung ihrer Uner-
fahrenheit sowie vor körperlicher und sittlicher Verwahrlosung schüützt.
Weitere Verschiedenheiten in der Rechtsstellung der einzelnen Bewohner der
Schutzgebiete ergeben sich aus ihren staatsrechtlichen Beziehungen zu diesen und
dem Reiche. Der Gegensatz zwischen staatlicher Zugehörigkeit und Landfremdheit
ist auch in den Schutzgebieten für eine Reihe von Rechten und Pflichten von Be-
deutung. Da die Schutzgebiete keine selbständigen Staaten, sondern nur Neben-
lande des Reiches sind, liegt es in der Natur der Sache, daß die Stellung eines
vollberechtigten Staatsbürgers dort nur den Angehörigen des Deutschen Reiches zu-
kommt. Die Reichsangehörigkeit ist im allgemeinen mit der Staatsangehörigkeit
in einem Bundesstaate verknüpft, hat also diese zur Voraussetzung. Tatsächlich
sind auch die meisten weißen Bewohner der Schutzgebiete im Besitz einer solchen
Staatsangehörigkeit, die sie aus der Heimat mitgebracht oder kraft Gesetzes durch
Geburt oder Verheiratung mit einem deutschen Manne erworben haben. Für den
Erwerb der Staatsangehörigkeit in einem Bundesstaate durch Übernahme in den
Staatsverbaud (Einbürgerung) ist indes die Niederlassung in dessem Gebiet Vor-
bedingung. Für nichtdentsche Einwohner der Schutzgebiete ist daher dieser Weg
zur Erlangung der Reichsangehörigkeit ungangbar. Mit Rücksicht hierauf läßt
das Gesetz für Ausländer, die sich in einem Schutzgebiete niedergelassen haben,
und für Eingeborene in einem Schutzgebiet den Erwerb einer unmittelbaren Reichs-
angehörigkeit zu. Diese kann auf entsprechenden Antrag vom Reichskanzler ver-
liehen werden, der auch für die Erteilung der Entlassung ans ihr zuständig ist. Sie
geht ebenso wie die Staatsangehörigkeit auf die Ehefrauen und Kinder über. Ihre
Wirkungen sind im allgemeinen dieselben wie diejenigen der durch die Staats-
angehörigkeit vermittelten Reichsangehörigkeit. Sie begründet insbesondere auch
alle staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten gegenüber dem Reiche selbst, verpflichtet