Full text: Deutschland als Kolonialmacht.

  
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und Stenerrecht der Schutzgebiete beruht daher nur auf Verordnungen des Reichs- 
kanzlers und der Gouverneure. 
Die Gesetze und Verordnungen müssen, um Geltung zu erlangen, gehörig 
verkündet werden. Die Verkündigung der Reichsgesetze und Kaiserlichen Verord- 
nungen geschieht im Reichs-Gesetzblatt. Verordnungen des Reichskanzlers werden, 
je nachdem sie für die afrikanischen und Südseeschutzgebiete oder für Kiantschon 
erlassen sind, im „Deutschen Kolonialblatt“ oder im „Verordnungsblatt für das 
Kiantschongebiet“ verkündet und die Verordnungen der Gouverneure in den Amts- 
blättern der verschiedenen Schutzgebiete (in Deutsch-Ostafrika als „Amtlicher An- 
zeiger", in Samoa als „Gouvernementsblatt“ bezeichnet). 
Die Zahl der kolonialen Verordnungen ist, namentlich in den letzten Jahren, 
stark angeschwollen, und Klagen ans den Kolonien, daß zuviel verordnet werde, 
sind eine nicht seltene Erscheinung. Indes ist es zum Teil gerade die Bevölke- 
rung der Schutzgebiete selbst, die immer wieder nach neuen Verordnungen ruft, 
weil man von ihnen die Beseitigung allerhand wirklicher oder vermutlicher Miß- 
stände erwartet. Außerdem findet ohne Frage die Zunahme der Verordnungen 
auch in den Verhältnissen selbst ihre Erklärung. Die fortschreitende Entwicklung der 
Schutzgebiete bringt es mit sich, daß immer neue Materien rechtlich geordnet 
werden müssen, und diefe Entwicklung hat sich gerade in letzter Zeit sehr rasch 
vollzogen. Zum großen Teil hat für die Schutzgebiete dieselbe gesetzgeberische 
Arbeit, die in der Heimat im Laufe der Jahrzehnte allmählich durch die Gesetz- 
gebung geleistet worden ist, in kurzer Zeit von den Verwaltungsorganen im Ver- 
ordnungswege bewältigt werden müssen. Damit hängen auch die häufigen Ab- 
#nderungen eben erlassener Verordnungen zufammen. Daß im übrigen die schnelle 
Aufeinanderfolge und geringe Stetigkeit der kolonialen Verordnungen Übelstände 
für die Beteiligten zeitigen, wird nicht zu leugnen sein. Es wäre daher ohne 
Frage zu wünschen, daß es gelingen möchte, in der Kolonialgesetzgebung mehr 
und mehr einen gewissen Beharrungszustand zu erreichen. 
Die koloniale Behördenorganisation. 
Mit der Schutzgewalt ist dem Kaiser auch die Regierungsgewalt über die 
Schutzgebiete zur alleinigen Ausübung übertragen, so daß im allgemeinen 
der Bundesrat, der vermöge seiner verfassungsrechtlichen Stellung als Vertretung 
der verbündeten Regierungen im Reiche für eine Reihe von Regierungsgeschäften 
zuständig ist, in der Kolonialverwaltung ausscheidet. Doch sind ihm durch die 
Gesetzgebung einzelne besondere Besugnisse überwiesen. So hat er z. B. über die 
Verleihung der Rechtssähigkeit an Kolonialgesellschaften zu beschließen und in ge- 
wissen Fällen als Verwaltungsgericht tätig zu sein. 
Dem Kaiser steht als oberster Reichsbeamter der Reichskanzler zur Seite, der 
als solcher verfassungsmäßig für die gesamte Reichsverwaltung und somit auch für 
die Kolonjalverwaltung zuständig ist. Er hat auch in Kolonialangelegenheiten 
alle Verordnungen und Erlasse des Kaisers gegenzuzeichnen und damit die Ver- 
antwortlichkeit zu übernehmen. Im übrigen ergeben sich seine Befugnisse teils ans 
seiner Stellung, die von selbst das Recht zur Leitung der Verwaltung und Be- 
anfsichtigung der Behörden in den Schutzgebieten in sich schließt, teils aus den 
bestehenden gesetzlichen Vorschriften, die ihm, wie oben bereits erwähnt, u. a. auch 
ein umfassendes Verordnuungsrecht beilegen. 
Zur Unterstützung des Reichskanzlers sind eine Reihe oberster Reichsbehörden 
eingesetzt, welche innerhalb ihres Zuständigkeitsbereiches die lausenden Geschäste 
unter der Verantwortlichkeit des Reichskanzlers selbständig erledigen und in Fällen, 
wo der Reichskanzler nach den maßgebenden Vorschriften oder wegen der Wichtig- 
keit der Angelegenheit persönlich Entscheidung oder Anordnung tressen muß, seine
	        
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