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den Europäern wie den Eingeborenen direkt und indirekt zugute kommt, wird kaum
mit einem anderen Mittel besser gedient als mit der Anlage von Eisenbahnen.
Die Eisenbahnlinien laufen alle in Lome zusammen, das dadurch in kurzer Zeit
aus einem kleinen Dorf zu einer großen, schönen Stadt geworden ist. Ihre Gesamt-
länge beträgt etwa 340 km.
Besonders vom Meere aus bietet Lome demn auch einen Anblick, der sich mit jedem
anderen an der afrikanischen Westküste messen kann. Deutsche Sauberkeit und Gründ-
lichkeit muten überall heimisch an. Die Gebäude der Europäer und zum Teil auch schon
der Eingeborenen, sind weiß gestrichen, auch die Dächer sind weiß gekalkt; dazwischen
dehnen sich schnurgerade rote, festgestampfte Lehmwege mit schattigen Baumreihen.
Zahllose Kokospalmen wiegen sich in der kühlen Seebrise, und ein meist wolkenlos
blauer Himmel bedeckt das malerische Bild, aus dem die Türme der Kirchen gebieterisch
aufragen als sichtbares Zeichen einer neuen Zeit. Krankenhäuser, Isolierbaracken,
Schulen dienen dem Gemeinwohl. Wasserwerk, Schlachthaus, Elektrizitätswerk dürften
bald eingerichtet werden.
Togo zählt jetzt etwa 350 Europäer, von denen 1912: 316 Deutsche waren. Von
ihnen verteilt sich die größere Zahl auf Beamte, Kaufleute, Missionare und Pflanzer,
die kleinere auf selbständige Gewerbetreibende.
Im allge meinen ist der Togoneger ziemlich gut erzogen und im Verkehr mit den
Europäern höflich und bescheiden, was von den meisten übrigen Negern der Westküste
nicht behauptet werden kann.
Die richterlichen Entscheidungen zwischen Weiß und Schwarz sowie natürlich auch
zwischen den Europäern liegen in der Hand des kaiserlichen Richters, der seinen Sitz
in Lome hat. Bernfungsinstanz ist das Obergericht in Kamernn.
Die Gerichtsbarkeit über die Eingeborenen ist den Bezirksämtern und Stationen
übertragen. Diese ihrerseits haben die Befugnis zur Entscheidung geringerer Streit-
sachen den Oberhäuptlingen und Häuptlingen, denen früher, vor der dentschen Herr-
schaft, die ganze Gerichtsbarkeit (mit guten Einnahmen) oblag, zugewiesen.
Diese Notwendigkeit ergab sich nicht nur aus dem Wunsche, den Häuptlingen einen
Teil ihrer Macht und ihres Ansehens zu belassen, sondern auch aus der Unmöglichkeit,
für die wenigen verantwortlichen Europäer der vielen Gerichtssachen Herr zu werden.
Die Neger beehrten in der ersten Zeit der deutschen Herrschaft oft die Stationen mit
Anträgen über die Entscheidung von Streitsachen, die schon sehr lange zurücklagen,
ja die sie von ihren Vätern „geerbt“ hatten. Im allgemeinen sind die Neger recht-
haberische Prozeßhänse.
Die Bezirksämter haben ein bestimmtes Maß an Geldstrafe, Gefängnis- und
Kettenhaft sowie an Prügelstrafe. Alle über dieses Maß hinausgchenden Urteile be-
dürfen der Bestätigung des Gouvernems als obersten Richters. Eine Erschwerung
der richtenden Tätigkeit liegt in der Notwendigkeit, Dolmetscher zu verwenden, die
sich bei der Vielsprachigkeit Togos vorläufig nicht werden ausschalten lassen. Die richter-
liche Tätigkeit über Schwarze erfordert viel Zeit und gute Nerven!
Ihre augestrebte Ausübung nach unseren im Bürgerlichen und Strafgesetzbuch
niedergelegten Anschannngen muß häufig durch Rücksichtnahme auf die alten Sitten
und Auschauungen der Eingeborenen Einschränkungen erfahren. Im allgemeinen
vollzieht sie sich ohne Reibungen, und befestigt danernd mehr die Sicherheit und Ruhe
der Landeseinwohner. Ein dieses Kompromiß erfassendes Gesetzbuch sollte mit Hilfe
der vorhandenen Akten und vor allem mit der Ersahrung der in Frage kommenden
Persönlichkeiten baldmöglichst entworfen werden.
Wie alle Verhältnisse des Landes nur Stetigkeit erhalten können, wenn sprunghafte
Veränderungen nach Möglichkeit zurückgehalten werden, so vollzieht sich auch die Be-
steuerung der Eingeborenen in der Weise, daß man allmählich von der durch das Gou-
vernement festgelegten Arbeitssteuer zu einer Geldstener übergeht.
Das zuerst nicht immer vorhandene Verständnis der eingeborenen Bewohner der