Full text: Deutschland als Kolonialmacht.

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Entschließungen vorbereiten sowie die von ihm zu vollziehenden Schriftstücke ent- 
werfen. Die Vorstände der obersten Reichsbehörden, die Staatssekretäre, sind 
gleichzeitig berufen, für den Umfang ihres Geschäftskreises den Reichskanzler im 
Behinderungsfalle zu vertreten. Bei dem Erwerb der ersten Kolonien erschien 
naturgemäß wegen des Zusammenhangs der Kolonialpolitik mit der auswärtigen 
Politik das Auswärtige Amt als die zur Bearbeitung der kolonialen Angelegen- 
heiten am besten geeignete oberste Reichsbehörde. Sie wurden zunächst eine Reihe 
von Jahren hindurch in der politischen Abteilung dieses Amts, die für die völker- 
rechtlichen Verhandlungen in betreff der Kolonien zuständig war, nebenher er- 
ledigt. Als dann die kolonialen Geschäfte mehr und mehr anwuchsen, wurde 
für sie (im Jahre 1890) eine besondere Abteilung im Auswärtigen Amt, die 
Kolonialbteilung, gebildet. Schließlich erwies sich auch diese Organisation nicht 
mehr als zureichend. Es wurde deshalb im Jahre 1907, nachdem der Reichstag 
unter Anderung seiner zunächst ablehnenden Haltung die erforderlichen Mittel be- 
willigt hatte, die Kolonial-Abteilung zu einem selbständigen Reichsamt, dem 
„Reichs-Kolonialamt“, erhoben. Mit ihm wurde das Oberkommando der Schutz- 
truppe, welches bis dahin dem Reichskanzler unmittelbar unterstellt war, vereinigt, 
so daß es jetzt nur eine Abteilung innerhalb des Reichs-Kolonialamts darstellt. 
Das Reichs-Kolonialamt ist Zentralinstanz für alle diejenigen Kolonien, die 
früher der Kolonial-Abteilung des Auswärtigen Amts unterstanden, nämlich die 
afrikanischen und Südseeschutzgebiete. Dagegen war das Kiautschougebiet von An- 
fang an ans Zweckmäßigkeitsgründen (wegen seiner Bestimmung als Flottenstation 
und Stützpunkt für die Marine in Ostasien) dem Reichs-Marineamt unterstellt 
worden. Hier werden die mit der Verwaltung des Schutzgebiets verbundenen 
Geschäfte von einer besonderen Abteilung, der „Zentralverwaltung für das Schutz- 
gebiet Kiantschou“, bearbeitet, die aus Offizieren und Verwaltungsbeamten zu- 
sammengesetzt ist. 
Dem Reichs-Kolonialamt steht wie den übrigen obersten Reichsbehörden ein 
Staatssekretär vor (zurzeit Dr. Solf, dem Dr. Dernburg und Dr. v. Lindequist 
im Amte vorangegangen waren). Ihm sind ein Unterstaatssekretär, ein Ministerial- 
direktor, ein General als Kommandeur der Schutztruppen, sowie die erforderliche 
Zahl von höheren Beamten (vortragenden Räten und Hilfsarbeitern), Offizieren 
und Sanitätsoffizieren, mittleren, Kanzlei= und Unterbeamten beigegeben. Das 
Reichs-Kolonialamt ist in vier Abteilungen gegliedert. Von diesen bearbeiten drei 
die Geschäfte der Zivilverwaltung, und zwar die Abteilung A ddie politischen, all- 
gemeinen Verwaltungs= und Rechtsangelegenheiten der Schutzgebiete, die Ab- 
teilung B die Finanzen-, Verkehrs= und technischen Angelegenheiten, die Ab- 
teilung C die Personalangelegenheiten. Als vierte Abteilung (M) tritt die Militär- 
verwaltung (Kommando der Schutztruppen) hinzu. Näheres über die Geschäfts- 
einteilung ergibt das alljährlich erscheinende „Handbuch für das Deutsche Reich“. 
Die Kassenangelegenheiten werden im Reichs-Kolonialamt von der „Kolonial= 
Hauptkasse“ besorgt. Die Ausführung von Beschaffungen und Vergebung von 
Lieferungen geschieht selbständig durch die der Aufsicht der Abteilung B unter- 
stehende „Beschaffungsstelle für die Schutzgebiete“. 
Als seinerzeit im Auswärtigen Amt die Kolonial-Abteilung errichtet wurde, 
fehlte es unter ihren Beamten so gut wie ganz an solchen, welche die Kolonien 
an Ort und Stelle kennen gelernt hatten. Man hielt es deshalb für zweck- 
mäßig, der Kolonial-Abteilung einen sachverständigen Beirat, den „Kolonialrat“, 
zur Seite zu stellen, in den eine Reihe von Kaufleuten, Gelehrten, Missionaren 
und höheren Beamten berufen wurde, die in der Mehrzahl mit den Verhält- 
nissen der Schutzgebiete aus eigener Anschaunng vertraut waren. Der Kolonialrat, 
welcher periodisch zu Sitzungen unter dem Vorsitz des Direktors der Kolonial= 
Abteilung zusammentrat, hat lange Jahre hindurch eine für die Schutzgebiete
	        
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